Um 18.19 Uhr zieht sie endlich den Schlussstrich. “Das Ergebnis ist eine schwere Niederlage für die hessische SPD, daran gibt es nichts zu deuteln“,
Hamburg/Wiesbaden. Um 18.19 Uhr zieht sie endlich den Schlussstrich. "Das Ergebnis ist eine schwere Niederlage für die hessische SPD, daran gibt es nichts zu deuteln", sagt Andrea Ypsilanti vor Presse und Parteigenossen. "Das ist ein schwerer Tag." In ihrem blassen Gesicht ringen Gefasstheit und Enttäuschung um die Vorherrschaft. "Ein Teil der Wähler hat uns nicht verziehen, dass wir im November 2008 keine parlamentarische Mehrheit für einen Regierungswechsel hinbekommen haben" - Pause - "und ein anderer Teil war enttäuscht, dass wir den Weg zu einer Minderheitsregierung bestreiten wollten", sagt sie. Keine Silbe vom Wortbruch. Sie fährt fort: "Ich resigniere nicht, ich übernehme aber die Verantwortung. Deshalb trete ich als Landes- und Fraktionsvorsitzende zurück."
Für Ypsilanti ist dieser Wahlsonntag zum erbarmungslosen Showdown geworden. Von 36,7 Prozent 2008 auf knapp 24 Prozent: Das ist nicht nur Ypsilantis Waterloo und schlechtestes Ergebnis der Hessen-SPD seit 1946. Vor allem hat damit in Hessen genau die Machtverschiebung nach rechts stattgefunden, die Ypsilanti verhindern wollte.
Von der strahlenden Fast-Siegerin des Januars 2008 ist am Wahlabend nichts mehr übrig. Ihr starrer Wille, mit Duldung der Linken Ministerpräsidentin einer rot-grünen Landesregierung zu werden, ist die Partei teuer zu stehen gekommen. Der Flurschaden ist beträchtlich: Ihr Wortbruch hat Wähler und Mitglieder gespalten, hat SPD-Chef Kurt Beck mit in die Unglaubwürdigkeit gerissen, hat Parteiaustritte gekostet (nicht nur von Wolfgang Clement). Ypsilantis Kurs hat die hessische SPD-Fraktion in "Gute" und "Dissidenten" geteilt - die "Abtrünnige" Dagmar Metzger, die den Wortbruch nicht mittragen wollte, muss sich am 28. Januar allen Ernstes wegen "parteischädigendem Verhalten" einer SPD-Schiedskommission stellen.
Noch am Sonnabend hatte sich Ypsilanti kämpferisch-optimistisch gegeben - in Wahrheit war sie bereits abgeschrieben: Der rote "Y"-Sticker, das Emblem ihrer Wahlkämpfe, ist längst verschrottet. "Das mit den Ypsilantis hat sich erledigt. Da schäfert jetzt der Gümbel", sagte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin in dieser Woche.
Bei der SPD-Abschlusskundgebung in Frankfurt verstanden sich Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier demonstrativ prächtig und erwähnten Ypsilanti mit keinem Wort. Steinmeier nannte Schäfer-Gümbel "das Gesicht einer neuen Generation der hessischen SPD".
Und der wirkte gestern Abend trotz des Wahldesasters fast erleichtert. Schäfer-Gümbel war im November klar, dass ihn Ypsilanti zum Frontmann einer Denkzettelwahl machte. Aber zumindest innerparteilich gewann er - trotz Brille und Doppelnamen - in wenigen Wochen das zurück, was sie verspielt hatte: Vertrauen. Die Öffentlichkeit honorierte, dass er den Wortbruch-Fehler zugab und nicht Ypsilantis Marionette sein wollte.
"Die Stabilisierung der linken Volkspartei SPD mit ihrer Wirkung in die gesellschaftliche Mitte wird ein Kraftakt", rief er den Genossen gestern mit entschlossener Stimme zu. "Die Zeit für Spielchen, egal wo, ist vorbei."
Das war deutlich. Nach dem Rücktritt gab es denn auch keine Umarmung: Ypsilanti ging, Schäfer-Gümbel kam. Was alle empfanden, sprach Ex-Finanzminister Hans Eichel aus: "Es ist vollkommen klar: Der künftige Spitzenmann heißt Thorsten Schäfer-Gümbel."