Ohne Entgegenkommen des Mutterkonzerns General Motors wird es Opel nicht schaffen. Eine Staatsbeteiligung schließt der Wirtschaftsminister aus. Das Verschwinden einer Marke nicht. Bilder der Opel-Geschichte. Bilder der Opelwerke.
New York. So hohe Erwartungen wurden selten an die Dienstreise eines deutschen Politikers geknüpft. Die Opel-Belegschaft, die Öffentlichkeit, der Steuerzahler, die Kanzlerin - kurz: halb Deutschland scheint gespannt, ob es Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bei seinen Gesprächen in New York und Washington tatsächlich gelingt, den Schlüssel zur Rettung des angeschlagenen Rüsselsheimer Autobauers zu finden. Seit Sonntagabend ist er deshalb in den Staaten. Die Opel-Frage steht sinnbildlich dafür, ob und wie Deutschland mit der Weltwirtschaftskrise fertig wird. Und zu Guttenberg steht für einen unverbrauchten, erfrischend offenen, aber trotzdem professionellen Politiker-Typus, der seit Wochen viel Aufmerksamkeit erregt. Der vor fünf Wochen vom CSU-Generalsekretär ins Wirtschaftsministerium beförderte Politiker lässt sich trotz des gewaltigen Erwartungsdrucks keinerlei Nervosität anmerken.
Im Gegenteil: Der Hoffnungsträger von CSU-Chef Horst Seehofer empfing zum Auftakt seiner Antrittsreise in der Nacht auf Montag souverän - und perfekt Englisch parlierend - seine einigermaßen entzückten Gäste aus Politik und Wirtschaft im altehrwürdigen New Yorker University Club. Dort wirkte er fast wie ein alter Bekannter: Als Bundestagsabgeordneter mit Schwerpunkt Außenpolitik hatte er hierher bereits intensive Kontakte geknüpft, die auch jetzt hilfreich sein können. Zu Guttenbergs Aufenthalt in den USA erweist sich als ideale Bühne, um seine Stärken ins Licht zu setzen, nachdem es sogar in Unionskreisen zunächst gerade wegen seines Diplomaten-Images Zweifel an der fachlichen Eignung des Aufsteigers für dieses Amt gegeben hatte.
Zum Spaziergang dürfte der Zwei-Tage-Trip dennoch nicht geraten. Die wichtigsten Gespräche - etwa mit dem Vorstandschef der von der Insolvenz bedrohten Opel-Mutter General Motors (GM), Rick Wagoner, sowie Präsident Barack Obamas wirtschaftspolitischem Berater Larry Summers - standen gestern noch aus. Aber die schwierigen Rahmenbedingungen machte der Minister mit der Vorliebe für klare, aber bildhafte Worte selber deutlich: "Es gehen Gespenster um, die an die 30er-Jahre erinnern", sagte zu Guttenberg in seiner Ansprache. "2009 wird ein hartes Jahr, das Realismus, aber auch Optimismus verlangt, den ich mir nicht nehmen lassen will."
Das durchzuhalten dürfte selbst ihm nicht leichtfallen. Über die bisher einigermaßen aussichtlose Lage bei Opel wird in der Delegation nicht herumgeredet. Alle zentralen Fragen, wie das Unternehmen überhaupt aus dem taumelnden Mutterkonzern herausgelöst werden kann, sind demnach noch völlig offen: Wie steht GM, wie steht vor allem aber die US-Administration zu der von Opel angestrebten Abschottung aller europäischen GM-Standorte? Wie sieht es aus mit den Opel-Patenten, die an die amerikanische Regierung verpfändet wurden? Und was wird aus bereits abgetretenen Anteilen? Nur wenn die Amerikaner hier Entgegenkommen zeigen, könnte am Ende vielleicht ein betriebswirtschaftlich tragfähiges Konzept entstehen, das staatliche Bürgschaften und Kredite verantwortbar erschienen lässt, sagt auch der Minister. "Ich hoffe auf klare Antworten, die ich bislang nicht bekommen habe. Das sollte eigentlich machbar sein."
Doch selbst dann müsste außerdem ein geeigneter Investor am Horizont auftauchen. Eine direkte Beteiligung des Staates an dem Traditionskonzern wird inzwischen kategorisch ausgeschlossen - der Staat sei kein besserer Autobauer. Wie es um die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen bestellt ist, das brachte am Abend zuvor im University Club der vom Minister als Gastredner eingeladene Finanzinvestor George Soros bereits auf den Punkt: "Der internationale Finanz- und Wirtschaftshandel wird seit der Pleite von Lehman Brothers nur noch künstlich am Leben erhalten", erklärte er unverblümt. Er würde sich auch sehr wundern, wenn sich ausgerechnet jetzt ein Investor fände, der in den Automobilmarkt einsteigen wolle.
Karl-Theodor zu Guttenberg war trotz Jetlags, Ausflugs zum Times Square und der schwierigen Gemengelage am frühen Montagmorgen schon wieder auf den Beinen. Der erklärte Ordnungspolitiker traf - sozusagen im "Auge des Orkans" - die Vorstände der Investmentbanken Morgan Stanley und JP Morgan, um sein Lagebild zu verfeinern.
Im Deutschen Haus in New York berichtete der Wirtschaftsminister danach mit fester Stimme, die Herren seien übereinstimmend der Meinung gewesen, dass "auf dem weltweiten Automobilmarkt die Reduzierung von Überkapazitäten unvermeidlich" sei. Dabei könne sich auch die "Reduzierung von Marken" abzeichnen. Und konkret zu Opel: Er tue sich weiterhin schwer, den Begriff der "Systemrelevanz" auf ein Unternehmen der freien Wirtschaft zu übertragen. "Das Verweisen auf die Tradition eines Unternehmens begründet noch nicht seine Zukunftsfestigkeit."
Weitgehend einig war sich zu Guttenberg mit den Managern auch in seinem Anliegen, den Themenschwerpunkt des nahenden G20-Gipfels nicht auf die neuerlichen Rufe aus den USA nach weiteren Konjunkturprogrammen zu verlagern. "Wir wollen erst mal sehen, wie unser Programm wirkt, bevor wir uns in eine Aufholjagd begeben", sagte er.
Das hat zu Guttenberg auch noch mit dem ehemaligen Chef der US-Notenbank, Paul Volcker, erläutert. Volcker leitet das Beratergremium Obamas zur Stabilisierung und Restrukturierung der Wirtschaft.