Der Weg für die Verstaatlichung maroder Banken im Notfall ist jetzt frei.Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf beschlossen, der auch eine Enteignung von Aktionären erlaubt.

Berlin. Die Bundesegierung hat den Weg für eine Verstaatlichung maroder Banken frei gemacht. Das Kabinett beschloss am Mittwoch ein Gesetz, das notfalls eine zwangsweise Enteignung erlaubt, wenn mildere und freiwillige Lösungen ausgeschöpft sind. Als erster Kandidat gilt die taumelnde Hypo Real Estate. Die Immobilienbank hält sich nur mit staatlichen und privaten Hilfen von 102 Milliarden Euro über Wasser. Die Regierung will nun in den kommenden Monaten die Kontrollmehrheit von mindestens 75 Prozent an der Bank erlangen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte das Enteignungsgesetz gegen Kritik der FDP und der Wirtschaftsverbände. "Ich halte das Vorgehen für alternativlos", sagte die CDU-Chefin. Eine Enteignung sei nur notfalls als ultima ratio, also als letztes Mittel, vorgesehen. Finanzminister Peer Steinbrück sagte, die Regierung wolle nicht den Staatseinfluss ausweiten, sondern Steuergelder gegen Verlust absichern. Die Regierung habe der Hypo Real Estate schon 87 Milliarden Euro an Garantien gewährt, besitze aber bislang nicht eine Aktie.

Der Bundestag muss die Gesetzesänderungen beschließen. Der Bundesrat soll dann am 3. April abstimmen. Laut dem Gesetz darf der Staat Enteignungsverfahren nur bis zum 30. Juni einleiten. Enteignet wird durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung, gegen die Betroffene klagen können. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet darüber innerhalb von vier Wochen im ersten und letzten Rechtszug.

Die Entschädigung für die Enteigneten bemisst sich nach dem Marktwert ihrer Anteile. Bei Aktien ist dies der durchschnittliche Börsenpreis der letzten zwei Wochen. Liegt der aktuelle Preis der letzten drei Tage niedriger, gilt dieser niedrigere Wert. Steinbrück taxierte die fällige Entschädigungssumme im Fall Hypo Real Estate auf rund 270 bis 280 Millionen Euro.

Eine Enteignung ist laut dem Entwurf nur zulässig, wenn sich das Finanzministerium als Enteignungsbehörde zuvor ernsthaft bemüht, die gewünschten Anteile zu kaufen. Dazu soll bei der Hypo Real Estate schon im April eine sogenannte Rettungshauptversammlung einberufen werden, sagte Steinbrück. Stimme die Hauptversammlung einer Kapitalerhöhung zu Gunsten des Bundes nicht zu, werde das Enteignungsverfahren eingeleitet. Die bisherigen Verhandlungen mit dem US-Großaktionär J.C. Flowers hätten bisher kein Ergebnis erbracht, "dass uns von diesem Weg abbringt im Gegenteil", sagte der SPD-Politiker.

Auch die Rückabwicklung wird geregelt. "Der Bund wird Unternehmen, deren Anteile enteignet wurden, wieder privatisieren, wenn das Unternehmen nachhaltig stabilisiert worden ist", heißt es im Gesetz. Dabei sollen die enteigneten Aktionäre über die vorgeschriebene Entschädigung hinaus das Recht bekommen, bevorzugt Anteile zurückzukaufen.

Von der FDP kam scharfe Kritik. "Hundert Konjunkturpakete können nichts bewirken, wenn ein einziges Enteignungsgesetz die Investoren aus Deutschland vertreibt", erklärte Parteichef Guido Westerwelle. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt zeigte sich entsetzt, dass die Regierung sich zu Enteignungen ermächtigen will. Dies sei ein "Tabubruch" und belaste den Investitionsstandort Deutschland.

Die Linke erklärte hingegen: "Nachdem rund 100 Milliarden der Steuerzahler in die marode HRE gepumpt wurden, ist es nur recht und billig, dass sie über den Staat beteiligt werden." Der Spitzenkandidat der Grünen für die Bundestagswahl 2009, Jürgen Trittin, sagte: "Noch am Montag erklärte der neue Wirtschaftsminister, bei der Enteignung von Aktionären würde sich Ludwig Erhard im Grabe herumdrehen. Zwei Tage später stimmt er dem Gesetz zur Enteignung von Bankaktionären zu. Dieser Lernerfolg ist zu begrüßen." Es sei richtig, dem Steuerzahler bei einer Bank, die er mit über Hundert Milliarden Steuergeldern gerettet hat, auch Kontrolle und Sicherheiten zu verschaffen.

Auch deutsche Wirtschaftsvertreter machten Front gegen das Enteignungsgesetz der Bundesregierung für angeschlagene Banken. Die großen Verbände warnten vor negativen Folgen für den Investitionsstandort Deutschland.