Als „unerträglichen Vorgang“ und „saublödes Problem“ bezeichneten der Hamburger Erzbischof Werner Thissen und Pater Eberhard von Gemmingen, Leiter des deutschsprachigen Programms von Radio Vatikan, am Donnerstag die aktuellen Ereignisse um den Bischof und Holocaust-Leugner Richard Williamson.

Die Theologen waren Teilnehmer der Podiumsdiskussion "Wohin steuert der Papst?", die kurzfristig in der Katholischen Akademie Hamburg anberaumt worden war. Mit dabei waren auch der jüdische Publizist Günter Bernd Ginzel, FAZ"-Journalist Daniel Deckers und der emeritierte Dogmatikprofessor Peter Hünermann. Die Aufhebung der Exkommunikation eines Bischofs, der das Zweite Vatikanische Konsulat ablehnt und den Holocaust leugnet, wurde von allen scharf verurteilt. Von Gemmingen attestierte dem Vatikan ein "Struktur- und Regierungsproblem": es gebe keine Protokolle über die vielen Einzelgespräche, die Papst Benedikt XVI. führe. Und Informationen, die der Allgemeinheit zugänglich wären, kämen merkwürdigerweise nicht im Vatikan an. Thissen verglich den Vatikan mit einer Behörde, die nicht funktioniere. Zwar sei er überzeugt, dass der Papst zumindest nichts von Williamsons Holocaust-Leugnung wusste. "Schlimm ist allerdings, dass er eine solche Entscheidung getroffen hat, ohne informiert zu sein", so der Erzbischof. "Mir graust davor, wenn das so weitergeht."

FAZ-Experte Deckers dagegen ist überzeugt, dass "der Papst gewusst hat, auf was er sich da einlässt". Schließlich habe Benedikt Mitte der 80er-Jahre mehrfach mit Erzbischof Marcel Lefebvre dem Begründer der Pius-Brüderschaft, deren Bischof Williamson sei gesprochen. "Der Papst hat entweder eine multiple Persönlichkeit oder seinen Laden nicht im Griff", mutmaßte Publizist Ginzel. Anders könne er sich das Tun eines "klugen Mannes mit großer Achtung vor dem Judentum" nicht erklären. Deckers verwies auf bevorstehende Entscheidungen des Papstes, die signalisieren könnten, in welche Richtung er steuere etwa die Bestimmung des Nachfolgers des 75-jährigen Kardinals Walter Kasper, der wohl dieses Jahr zurücktreten wird, oder die Seligsprechung des umstrittenen Papstes Pius XII.

Das Gute sei, da waren sich die Diskutanten einig, dass die wirklichen Intentionen der Traditionalisten jetzt "ans Tageslicht" kämen. "Dieser Gau könnte ein Glücksfall sein", sagte Ginzel "denn er verhindert etwas, das sich sonst eingeschlichen hätte." Gegen Ende der Diskussion nach dem Rat gefragt, den die Gesprächspartner dem Papst geben würden, antwortete Thissen: "Ich wünsche ihm, dass er das, was er nicht so gut kann, kompetenten Mitarbeitern überlässt". Und Peter Hünermann würde dafür beten, "dass etwas vom Heiligen Geist seine Regierungspraxis beeinflusst."