Im Ausland sind zeitlich begrenzte Papiere nahezu die Regel. Politik will keine Pflichttests für Senioren.
Hamburg/Goslar. Die Grünen stehen mit ihrer Position im Bundestag ziemlich allein da. "Auf uns rollt eine demografische Lawine alternder Autofahrer zu. Da muss die Frage erlaubt sein, ob eine Fahrerlaubnis bis zum Tod uneingeschränkt gilt", sagte Winfried Hermann, verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion im Bundestag, dem Abendblatt. Der Verkehrsgerichtstag in Goslar wird sich heute mit dem Thema Führerschein auf Zeit beschäftigen.
Im Ausland sind zeitlich begrenzte Führerscheine fast die Regel. In Spanien müssen Fahrer bis 45 Jahre alle zehn Jahre zur Untersuchung, danach alle fünf Jahre. Die niederländischen Behörden schicken alle über 70 Jahre alten in Abständen von fünf Jahren zum Arzt, in Italien hängt die Lenklizenz vom Bestehen eines Augen- und Reaktionstests ab. Wer über 65 ist, muss diesen im Zwei-Jahres-Rhythmus absolvieren.
In Deutschland wird es so weit wohl nicht kommen. Artikel 7 der EU-Richtlinie stellt es den Mitgliedsstaaten frei, die "Erneuerung von Führerscheinen (...) von einer Prüfung der Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit" abhängig zu machen.
Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) will davon keinen Gebrauch machen: "Ich halte nichts von einem verbindlichen Gesundheitscheck für ältere Autofahrer. Die allermeisten von ihnen können ihr Leistungsvermögen selbst einschätzen. Untersuchungen zeigen, dass gerade sie besonders umsichtig und zurückhaltend im Verkehr unterwegs sind."
Der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete und Verkehrsexperte Dirk Fischer stimmt der Ministermeinung zu. "Mit der CDU/ CSU-Fraktion sind solche Pflichtuntersuchungen nicht zu machen", sagte er dem Abendblatt. Die Unfallstatistik spreche nicht gegen ältere Autofahrer. "Im Gegenteil, 18 bis 24 Jahre alte Autofahrer sind überproportional häufig an Unfällen beteiligt."
Auch Patrick Döhring, verkehrspolitischer Sprecher der FDP im Bundestag, ist gegen Pflichttests. "Wir setzen auf eigene realistische Einschätzung der Autofahrer und ihres Leistungsvermögens", sagte Döhring dem Abendblatt. Ältere Autofahrer machten Leistungsdefizite mit Erfahrung und Umsicht wieder wett.
Der Kölner Verkehrspsychologe Egon Stephan ist einer der Diskussionsteilnehmer in Goslar. Er plädiert für einen lokal begrenzten Führerschein für Senioren, wenn deren Leistungsfähigkeit im Straßenverkehr sinkt. "Es kann etwa sein, dass diese Verkehrsteilnehmer ein bestimmtes Tempolimit haben, nur noch in einem bestimmten Umkreis um den eigenen Wohnort oder nur noch bei Tageslicht fahren dürfen", sagte Stephan dem Abendblatt. Die genauen Bedingungen seien "sensibel und im Einzelfall" zu prüfen.
Autofahren ist nach Ansicht des Verfassungs- und Verwaltungsrechtlers Michael Brenner eine "grundrechtlich geschützte Tätigkeit". Deshalb müsse der Gesetzgeber eine "gewisse Zurückhaltung üben, wenn es um vorgeschriebene Gesundheitschecks geht", sagte der Jurist aus Jena dem Abendblatt. Brenner wird ebenfalls in Goslar diskutieren. "Es geht darum, die Verhältnismäßigkeit zu wahren zwischen der Sicherheit im Straßenverkehr und dem Bedürfnis nach Individualität und Mobilität."
Weitere Themen in Goslar sind die mögliche Überwachung ganzer Autobahnabschnitte per Radar, aktuelle Probleme des Fahrradverkehrs sowie die geeignete Form der Alkoholmessung bei angetrunkenen Autofahrern. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing, fordert eine Senkung der Alkoholgrenze für Autofahrer von 0,5 auf 0,3 Promille.