Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat eine europäische Unterstützung bei der Schließung des US-Gefangenenlagers Guantanamo als “Frage der Glaubwürdigkeit“ bezeichnet. Bosbach und Herrmann sehen Guantanamo als reines US-Problem. Auch Bundesinnenminister Schäuble nahm bisher eine Abwehrhaltung ein. Doch nun soll es bald zu einem Gespräch zwischen ihm Steinmeier kommen.
Berlin/Brüssel. Außenminister Steinmeier und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wollen demnach noch diese Woche über die deutsche Haltung sprechen. Schäuble hatte den Vorstoß Steinmeiers zur möglichen Aufnahme einzelner Gefangener aus dem für Terrorverdächtige angelegten Lager Guantanamo auf Kuba kritisiert.
Vize-Regierungssprecher Thomas Steg hob hervor, Entscheidungen der Bundesregierung seien erst dann nötig, wenn es Klarheit über das amerikanische Vorgehen gebe. Steinmeiers Sprecher Jens Plötner sagte gleichwohl, dass eine Abstimmung schon jetzt dennoch sinnvoll sei. "Wir können fest davon ausgehen: Diese Sache kommt auf uns zu", sagte er. Daher sei es sinnvoll, wenn sich die beteiligten Ressorts darauf vorbereiteten. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums sagte, wenn eine solche Anfrage komme, werde sie geprüft. Bis dahin werde abgewartet. Schäuble selbst hatte am Sonntagabend im ZDF gesagt: "Wenn es jemanden gibt, von dem man konkret sagen kann, der kann aus nachvollziehbaren Gründen nicht in Amerika bleiben, dann wird man darüber reden können."
Die Frage, ob man einen der Teil der Häftlinge in Europa aufnehmen soll, beantwortete der Kanzler-Kandidat Frank-Walter Steinmeier mit folgenden Worten: "Wir reißen uns nicht um die Aufnahme von Gefangenen, aber es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, ob wir die Auflösung des Lagers in den USA unterstützen oder nicht."
Zur Begründung verwies Steinmeier darauf, dass die Europäer "in den letzten Jahren vielfach und lautstark die Auflösung von Guantanamo gefordert" hatten. Klar sei aber auch: "Die Hauptverantwortlichkeit für die Auflösung des Gefangenenlagers in Guantanamo trifft diejenigen, die es eingerichtet haben - die Amerikaner selbst." Steinmeier fügte vor Beratungen mit seinen 26 Amtskollegen am Montag in Brüssel hinzu: "Dieses wird heute keine Entscheidung sein".
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) teilt Steinmeiers Ansichten nicht. Er warnte davor, die Insassen des US-Gefangenenlagers Guantanamo als grundsätzlich harmlos zu betrachten. Zwar sei das US-Lager auf Kuba eine "rechtsstaatlich indiskutable Einrichtung", sagte der Innenminister; dennoch würden die Inhaftierten dort "nicht grundlos einsitzen". Laut Herrmann hätten die allermeisten Insassen entweder tatsächlich etwas verbrochen, oder seinen "höchst gefährlich". Deshalb könne es nicht angehen, "dass man nach Belieben sagt, die können jetzt in irgendein europäisches Land anreisen", fügte der CSU-Politiker hinzu.
Der stellvertretende Unionsfraktionschef Wolfgang Bosbach (CDU) warnte ebenfalls davor, die Aufnahme ehemaliger Guantanamo- Häftlinge zu übereilen. "Ich verstehe vor allen Dingen nicht, warum sich Herr Steinmeier vordrängelt", kritisierte Bosbach am Montag. "Mir ist noch nicht einmal bekannt, dass es ein offizielles Aufnahmegesuch der Vereinigten Staaten von Amerika gibt."
Das Gefangenenlager sei eine Institution der USA. "Und deswegen ist es die Aufgabe der Vereinigten Staaten, das Problem auch zu lösen." Zudem sei nicht der Außenminister, sondern die Innenminister von Bund und Ländern für eine mögliche Aufnahme ehemaliger Guantanamo-Häftlinge zuständig. "Ich kenne keinen einzigen Innenminister, der bereit wäre, Häftlinge aufzunehmen", betonte Bosbach.
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU), fordert, Deutschland solle zumindest einige muslimische Uiguren aufnehmen. Dieser Forderung steht Bayerns Innenminister Herrmann auch skeptisch gegenüber. "Die Verantwortung liegt ganz klar zunächst bei den USA", sagte der CSU-Politiker. "Uiguren können genauso gut auch in den USA leben."