Schwarz-Gelb und die Opposition haben sich auf wichtige Eckpunkte geeinigt. Chancen für Verabschiedung am 13. Juni steigen.
Berlin. Die Chancen für eine Umsetzung des europäischen Fiskalpaktes für mehr Haushaltsdisziplin noch vor der Sommerpause sind gestiegen. Die schwarz-gelbe Koalition und die Opposition verständigten sich am Donnerstag in Berlin nach langem Streit auf Eckpunkte für eine Steuer auf Finanzgeschäfte. Eine endgültige Einigung wird am 13. Juni bei einem Treffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Spitzen von Opposition und Koalition angestrebt. SPD und Grüne begrüßten den Fortschritt, gaben sich aber weiter zurückhaltend. Auch die Spitzen von Union und FDP müssten zustimmen.
SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach von einer 180-Grad-Wende der Koalition. Union und FDP hätten ihre Blockade aufgegeben. Dies sei aber nur ein erster Schritt, um zu einer Einigung zu gelangen, betonte Gabriel. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast reagierte zurückhaltend. Es sei „nicht mehr als eine gemeinsame Arbeitsgrundlage zur Finanztransaktionssteuer gefunden“ worden. Diese könne hilfreich sein. Es gebe aber noch Differenzen. „Ich sehe auch jetzt noch nicht, dass wir am 13. Juni zu einem Abschluss kommen.“
Der von Merkel in Europa durchgedrückte und bisher von 25 der 27 EU-Staaten unterzeichnete Fiskalpakt zum raschen Defizitabbau und für Schuldenbremsen soll zusammen mit dem Vertrag für den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM vor dem 1. Juli verabschiedet werden. Für die Umsetzung des Fiskalpaktes in nationales Recht benötigt Schwarz-Gelb aber SPD und Grüne, da in Bundestag und Bundesrat jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist.
Für ihre Zustimmung haben SPD und Grüne konkrete Schritte für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Europa gefordert sowie zusätzliche Wachstumsimpulse. Über ein von der Bundesregierung erarbeitetes Wachstumspaket, das Ende Juni auch den EU-Partnern vorgelegt werden soll, wurde in einer weiteren Arbeitsgruppe beraten.
SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sprach von „erheblichen Fortschritten“, sollte es bei dem jetzt erreichten Verhandlungsergebnis bleiben. „Der permanente Druck zeigt Wirkung.“
Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Barthle (CDU), erklärte, die Eckpunkte seien wesentliche Grundlage für eine Einigung zum Fiskalpakt beim Spitzentreffen nächste Woche. In der FDP war von einem Schritt in die richtige Richtung die Rede. SPD und Grüne hätten mehr Realitätssinn bewiesen. Jetzt werde auch von der Opposition ein erkennbarer Schritt beim Fiskalpakt erwartet.
Offen war zunächst, ob es sich am Ende um eine klassische Finanztransaktionssteuer handeln wird oder ob die geplante Abgabe eher in Richtung einer Börsenumsatzsteuer geht. Eine ursprüngliche Passage mit Bezug auf die britische Stempelsteuer und die französische Finanztransaktionssteuer als Basis für eine rasche europäische Lösung wurde dem Vernehmen nach wieder gestrichen.
Gabriel betonte, eine Stempelsteuer oder eine Finanzsteuer nach französischen Vorbild seien damit vom Tisch. Nach Darstellung von Poß haben sich FDP und Union uneingeschränkt zur Finanztransaktionssteuer bekannt. In Koalitionskreisen hieß es dagegen, es gehe gerade nicht um eine Finanztransaktionssteuer ohne Einschränkungen. Erstmals seien bestimmte Vorgaben für eine mögliche Steuer definiert worden.
Grundlage für den angestrebten Kompromiss ist ein Papier des Finanzministeriums. Danach unterstützt die Bundesregierung zwar weiter den Vorschlag der EU-Kommission zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in der gesamten EU. Eine Einigung ist aber unwahrscheinlich. Widerstand kommt unter anderem aus Großbritannien und Schweden. Selbst in der Euro-Gruppe gibt es Differenzen.
Sollte eine EU- oder Euro-weite Lösung scheitern, wird eine Steuer in „möglichst vielen“ EU-Staaten angestrebt. In dem Fall soll eine Einführung im Wege „der verstärken Zusammenarbeit“ beziehungsweise der „zwischenstaatlichen Zusammenarbeit“ geprüft werden. Bei einer verstärkten Zusammenarbeit müssen mindestens neun Staaten mitziehen.
Eine Besteuerung sollte dem Ministeriumspapier zufolge möglichst alle Finanzinstrumente umfassen und mit einer breiten Bemessungsgrundlage bei einem niedrigen Steuersatz verwirklicht werden. Der Steuersatz sollte sich zwischen 0,1 und 0,01 Prozent bewegen. So werde die Belastung von Transaktionen gering gehalten.
Durch die Ausgestaltung der Steuer sollen Ausweichreaktionen vermieden werden. Auch müssten die Auswirkungen auf Instrumente der Altersversorgung oder Kleinanleger bewertet und negative Folgen ausgeschlossen werden. Zugleich sollten „unerwünschte Formen von Finanzgeschäften“ zurückgedrängt werden. (dpa)
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