Die deutsche Nationalhymne in Jerusalem ist zwar schon Routine, ein einfacher Staatsbesuch ist es für Joachim Gauck in Israel aber nicht.
Berlin. Es gibt wohl niemanden, den die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem nicht tief berührt. Für Deutsche ist es noch einmal ein ganz besonderer Ort. Bundespräsidenten besuchen ihn, Kanzler, Minister. „Wir gedenken hier der sechs Millionen Juden, ermordet von deutschen Nazis und ihren Mittätern“, sagt der Zeremonienmeister mit aller Klarheit. Auch Joachim Gauck war hier schon einmal, vor acht Jahren, aber nicht als Bundespräsident.
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Als er am Dienstag mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt zum Abschluss des Rundgangs durch die Gedenkstätte in Jerusalem das Mahnmal für die ermordeten Kinder verlässt, sind beide sehr bewegt. Ihre Emotionen wollen sie nicht verbergen. Für den Präsidenten Gauck ist es eine Premiere – Staatsbesuch in Israel. „Dies ist ein ergreifender Moment für mich: Sieben Jahrzehnte nach dem am jüdischen Volk begangenen Menschheitsverbrechen der Schoah komme ich als höchster Vertreter der Bundesrepublik Deutschland zu Ihnen.“
Vor nicht einmal zwei Jahren war Christian Wulff hier, mit seiner Tochter Annalena, und wollte ein Zeichen setzen, dass auch die Jugend die Verantwortung annimmt, die aus dem Holocaust erwächst. Diesmal wird sein Nachfolger von den Israelis mit großem Interesse beobachtet, und man spürt die Anspannung, die auf ihm liegt. Die israelischen Medien schenken ihm ein paar Vorschusslorbeeren, von „Deutschlands Nelson Mandela“ ist sogar die Rede.
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Und was inzwischen nicht mehr überrascht: Gauck sucht einen sehr emotionalen Zugang zu seinem Gastland. Als langjähriger Freund Israels tritt er auf, unmissverständlich. Kritik kommt später, wenn überhaupt. „Israel ist ein blühendes, ja ein boomendes Land mit einer stabilen Demokratie“, sagt er im Beisein des greisen Staatspräsidenten Schimon Peres. „Sehr besorgt“ zeigt er sich über den Iran und dessen Atomprogramm. Dass dies nicht allein Israel betrifft, stellt er sofort klar: „Auch für die Region und auch für uns in Europa eine potenzielle Bedrohung.“
Keinen Zweifel lässt Gauck auch daran, was er vom umstrittenen Israel-Gedicht des Literaturnobelpreisträgers Günter Grass hält, das die Haltung des jüdischen Staates gegenüber dem Iran scharf kritisiert. „Günter Grass hat seine persönliche Meinung geäußert. Das darf er. Ich stimme ihm ausdrücklich nicht zu.“
Am ersten Tag seines Staatsbesuchs ist Gauck sichtlich bemüht, mit positiven Botschaften gehört zu werden. Jede Minute ist ihm das Besondere der deutsch-israelischen Beziehungen bewusst. „Unsere beiden Länder haben nach Schoah und Krieg gemeinsam Historisches geschaffen: nicht für möglich gehaltene Versöhnung und Verständigung.“ Dass Gauck auch als evangelischer Theologe eine spezielle Beziehung zu Israel hat, verbirgt er nicht. Ein paar Zeilen aus dem Alten Testament kann er auch auf hebräisch vortragen.
Ein Gespür für die Gemütslage seiner Gastgeber zeigt er auch mit einem am Dienstag kurzfristig eingeschobenen Termin: Gauck trifft sich mit Überlebenden des Olympia-Attentats von München 1972. Elf Israelis waren damals ums Leben gekommen. Zum 40. Jahrestag und vor den Olympischen Spielen in London vermissen die israelischen Sportler eine angemessene Geste der Sportwelt. Schon am Montag, gleich nach seiner Ankunft, gedachte er der Toten von München auf einem Friedhof bei Tel Aviv.
Wenn Gauck am Donnerstag zum Abschluss seines Besuchs die palästinensischen Gebiete besucht, werden auch Präsident Mahmud Abbas und die Menschen im Westjordanland Zuspruch aus Deutschland erhalten. Man solle gegenüber den Palästinensern „nicht hartherzig“ sein, sagte Gauck einmal. An der unverbrüchlichen Freundschaft mit Israel wird er aber nicht rütteln lassen wollen. Am Dienstagmorgen schreibt er in das Gästebuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem: „Vergiß nicht! Niemals. Und steh zu dem Land, das hier derer gedenkt, die nicht leben durften.“ Fast ein Gedicht, aber ein sehr israel-freundliches.
Mit Material von dpa