CDU-Vize kündigt Erklärung an. Kanzlerin Angela Merkel muss innerhalb der CDU Rauswurf rechtfertigen. Mutmaßungen über Druck aus der Energiewirtschaft
Hamburg/Berlin. Es lief schlecht für Norbert Röttgen. Aber am Ende dürfe es der Kanzlerin nur um das Beste für das Land gehen. So bewertet Arbeitsministerin Ursula von der Leyen den Rauswurf des Umweltministers. "Wenn die Bundeskanzlerin kein Vertrauen mehr hat, dass ihr zuständiger Minister ein vitales Projekt wie die Energiewende noch managen kann, dann muss sie so handeln", sagte von der Leyen im "Spiegel". Die Entlassung Röttgens war ein Paukenschlag - und er hat ein gewaltiges Echo in der Union.
Die einen, wie CDU-Vize von der Leyen, stellen sich hinter die Entscheidung der Kanzlerin. Bei anderen, vor allem in Nordrhein-Westfalens CDU, die mit Röttgen als Spitzenkandidat auf 26 Prozent abstürzte, rumort es. "Die Art und Weise, wie das in einer Minute und 36 Sekunden abgewickelt wurde, hat mich zutiefst berührt, hat mich betroffen gemacht", sagte etwa die Bundestagsabgeordnete Michaela Noll zu Merkels knapper Entlassungs-Erklärung am vergangenen Mittwoch. Sieben Sätze sagte Merkel, einige zu Röttgen, einige zu dessen Nachfolger im Umweltministerium, Peter Altmaier. Mehr nicht. Merkel, sonst bekannt als die Moderatorin und Strippenzieherin hinter den Kulissen, musste erfahren, dass ihr Umgang mit Röttgen Kälte ausstrahlte - nach außen wie nach innen. Ein Dreiertreffen mit den Parteichefs Philipp Rösler (FDP) und Horst Seehofer (CSU) soll die schwarz-gelbe Koalition wieder fester zusammenbringen, im Inhalt und im Stil.
Doch Röttgen will in die Offensive gehen und seinen Rauswurf nicht ohne Widerspruch hinnehmen. Er plane nach Information von "Bild am Sonntag" eine öffentliche Erklärung und wolle sowohl an seinem Posten als CDU-Vize festhalten als auch 2013 wieder für den Bundestag kandidieren. Dem angeschlagenen und intern zusehends isolierten Röttgen wurde nicht mehr zugetraut, das stockende Mammutprojekt Energiewende zu managen - daher die Trennung gerade jetzt.
EU-Energiekommissar Günther Oettinger deutete an, dass Röttgen auch habe gehen müssen, weil er in der Energiewirtschaft keinen Rückhalt gefunden habe: "Zu der Entscheidung mag auch das Gespräch mit den Spitzen der deutschen Energiewirtschaft am 2. Mai im Kanzleramt beigetragen haben", sagte er der "Welt am Sonntag". Da habe sich gezeigt, wie schwer sich Norbert Röttgen tue, als Gesprächspartner der Wirtschaft akzeptiert zu werden. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Fuchs, sagte dem Hamburger Abendblatt: "Röttgen hat als Minister für die Energiewende offenbar falsche Signale ausgesandt. Die Energiewende muss gemeinsam mit allen Akteuren gestaltet werden - und das möglichst schnell."
Vom designierten Umweltminister Peter Altmaier erwarte Fuchs nun vor allem eine Verbesserung der Zusammenarbeit von Umweltministerium und Wirtschaftsministerium, die "zuletzt nicht optimal" gewesen sei. "Peter Altmaier ist ein Politiker, der unterschiedliche Positionen gut integrieren kann. Genau das wird nun gebraucht", hob Fuchs hervor. Am Dienstag erhält Altmaier von Bundespräsident Joachim Gauck seine Ernennungsurkunde - und Röttgen seine Entlassungsurkunde. Zumindest darüber herrscht Klarheit.