Staatsrat Wolfgang Schmidt über die Bedeutung der EU für die Stadt, die Schuldenbremse und die schwierige Abstimmung mit Brüssel.
Hamburg. Wolfgang Schmidt liefert eine eingängige Beschreibung seiner Tätigkeit: "Ich mache alles außer Hamburg, aber immer für Hamburg." Der 41 Jahre alte Jurist ist als Staatsrat der Senatskanzlei Bevollmächtigter beim Bund, bei der Europäischen Union und für auswärtige Angelegenheiten. Und während der noch bis zum 14. Mai laufenden Europawoche kümmert Schmidt sich vorrangig um seinen zweiten Arbeitsbereich. "Einmal im Jahr wird Europa in der Stadt in konzentrierter Form sichtbar", sagt der gebürtige Hamburger. "Und diejenigen, die sich kontinuierlich mit Europa beschäftigen, bekommen eine Bühne, um ihre Arbeit zu präsentieren."
Aufgrund der Finanzprobleme und der politischen Instabilitäten in einigen Ländern werde Europa zwar gerade als Krisenherd wahrgenommen. Aber darüber könne man ins Gespräch kommen und Europa als Chance begreifen. "Wir zeigen, wie wichtig Europa gerade für Hamburg ist." Internationalität sei für eine Hafenstadt eine selbstverständliche Geschäftsgrundlage.
Schmidt kam mit dem Amtsantritt von Olaf Scholz zu seinem Posten. Der Bürgermeister und der Vater zweier Töchter arbeiten seit zehn Jahren zusammen. Schmidt leitete die Büros von Scholz, als dieser SPD-Generalsekretär, Geschäftsführer der Bundestagsfraktion und Arbeitsminister war. Während des Studiums in Hamburg und Bilbao beschäftigte er sich mit Europarecht, arbeitete dann an der Uni Hamburg und für die Jugendorganisation der europäischen Sozialdemokraten.
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Nach Aussage von Schmidt wird vieles, was Hamburg betrifft, mittlerweile von der EU in Brüssel beeinflusst. "Das gilt für die Elbvertiefung und die ökologischen Ausgleichsflächen, die die EU-Umweltstandards erfüllen müssen, genauso wie die Finanzspritzen aus Hamburg und Schleswig-Holstein für die angeschlagene HSH Nordbank, die mit den EU-Beihilfevorschriften einhergehen müssen, oder für Umweltauflagen für energieintensive Industrien wie die Kupferhütte Aurubis."
Die Interessen der Hansestadt in Brüssel und Straßburg vertreten die Hamburger Abgeordneten des Europäischen Parlaments, der Hamburger Vertreter im Ausschuss der Regionen sowie das Hanse Office, die gemeinsame Landesvertretung von Hamburg und Schleswig-Holstein. Laut Schmidt wisse man in der EU um die Bedeutung Hamburgs und seines Hafens. "Am Donnerstag besucht uns der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz. Beim Matthiae-Mahl im Februar war EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso Ehrengast."
Über den Bundesrat wirkt Hamburg als Bundesland an der Gesetzgebung mit, wenn EU-Richtlinien in Deutschland umgesetzt werden sollen. Die Bürgerschaft muss regelmäßig ihre Meinung zu europäischen Vorschlägen und Richtlinien äußern. "Wir diskutieren gerade ein neues Statistikgesetz. Die EU-Kommission hat nach den Erfahrungen mit Griechenland vorgeschlagen, die Anforderungen an die nationalen Statistikbehörden zu verschärfen. Wegen seiner föderalen Struktur müssen in Deutschland 16 Ämter gehört und koordiniert werden. Und da gibt auch Hamburg seine Stellungnahme ab."
Konkrete Auswirkungen auf die Hansestadt hat auch der europäische Fiskalpakt. Mit Ausnahme von Großbritannien und Tschechien haben sich alle EU-Mitglieder auf strenge Obergrenzen für die Staatsschulden geeinigt, einschließlich automatischer Sanktionen für Länder, die die Regeln brechen. Damit dieser Vertrag in Deutschland am 1. Januar 2013 in Kraft treten kann, müssen Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit zustimmen.
"Das ist eine gute Gelegenheit, um über den Zustand der öffentlichen Finanzen zu sprechen", sagt Schmidt. "Wir haben im Grundgesetz die Schuldenbremse, wonach die Bundesländer ab 2020 keine neuen Schulden mehr machen dürfen. Im Fiskalpakt ist eine europäische Schuldenbremse vorgesehen, die Bund, Länder, Kommunen und die Sozialversicherungen betrifft." Aber bisher sei nicht genau formuliert, wie die Sparbelastungen verteilt werden sollen und wer bei Nichteinhaltung dann haftet. Die EU-Kommission habe dazu einen Vorschlag angekündigt. "Solange wir den nicht kennen, wird eine Zustimmung für das Land Hamburg schwierig. Wir finden den Fiskalpakt richtig, aber man muss auch wissen, worüber man abstimmt." Morgen wird das Thema in den Bundesrat eingebracht.