Das Spitzentreffen des EU-Energiekommissars mit Vertretern der 27 EU-Länder in Brüssel habe lediglich “Fortschritte“ gebracht.
Brüssel. Die Hoffnungen von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barrosos haben sich zerschlagen: Günther Oettingers Vorstoß zu strengere Tests für europäische Atomkraftwerke ist bei den EU-Kollegen vorerst wirkungslos geblieben. Die Beratungen zwischen dem EU-Kommissar und Vertretern der 27 EU-Länder über die sogenannten Stresstests blieben am Donnerstag ohne Einigung. Kommende Woche soll weiter verhandelt werden, wie eine Sprecherin in Brüssel mitteilte. Dann sind Oettinger und die Vertreter der Europäischen Gruppe für nukleare Sicherheit und Abfallentsorgung (ENSREG) in Prag verabredet.
"Inhalt ist wichtiger als Timing. Die Öffentlichkeit erwartet glaubwürdige Tests, die alle Risiken und Sicherheitsbedenken umfassen“, sagte Oettinger am Rande des Treffens. Bei den Gesprächen, die am Donnerstagnachmittag noch andauerten, habe es Fortschritte gegeben. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten bei ihrem Gipfel Ende März die Kommission und ENSREG damit beauftragt, Regeln für die Stresstests zu definieren. Fristen dafür gebe es aber nicht, betonte Oettingers Sprecherin.
Obwohl sich die EU einig ist, dass es Stresstests geben soll, herrscht bei den Kriterien große Uneinigkeit. Oettinger hatte sich immer wieder gegen zu lasche Stresstests für die 143 Atommeiler in der EU gewehrt. "Ein Stresstest light wird meine Unterschrift nicht tragen“, hatte er Anfang der Woche vor dem EU-Parlament in Straßburg gesagt.
Seiner Sprecherin zufolge hat Oettinger bei dem Treffen am Donnerstag einen Vorschlag für harte Stresstests auf den Tisch gelegt. Danach sollen Atommeiler nicht nur Naturkatastrophen überstehen, sondern auch Flugzeugabstürze, Terroranschläge und Bedienungsfehler – die "menschlichen Faktoren“.
Vor allem Großbritannien und Frankreich haben sich zuletzt aber dagegen gesperrt. Sie wollen die Sicherheit ihrer Atomreaktoren nur mit Blick auf Naturkatastrophen unter die Lupe nehmen. Noch vor dem Treffen ließ Oettinger über seine Sprecherin nur in einem Punkt Kompromissbereitschaft signalisieren: Transparenz. Zwar hatte der Kommissar angekündigt, Testergebnisse veröffentlichen zu wollen. Aber gerade mit Blick auf Terroranschläge dürften sensible Informationen nicht öffentlich werden, sagte die Sprecherin.
Dabei ist Öffentlichkeit das einzige Druckmittel, das die Kommission gegen die Betreiber maroder Kraftwerke in der Hand hat. Sie darf nämlich weder Stresstests noch die Schließung von Atommeilern anordnen. Fällt ein Meiler bei dem Test durch, hat die EU keine rechtliche Handhabe, ihn abzuschalten. Das können die Mitgliedsstaaten nur selbst anordnen.
Selbst der Appell von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso half nicht. Barroso hatte vor dem Treffen Oettinger noch den Rücken gestärkt und eine Einigung gefordert. "Die Kommission dringt darauf, dass Länder, die sich für Atomstrom entschieden haben, die höchsten Sicherheitsstandards haben“, hatte er vorab gesagt. (dpa/abendblatt.de)