Volker Bouffier stand lange im Schatten von Roland Koch, nun soll er sein Nachfolger werden
Von einer Verjüngungskur in Hessen kann keine Rede sein: Volker Bouffier ist mit 58 sogar noch sechs Jahre älter als jener Roland Koch, den er nun beerben soll. Als "Kochs Mann fürs Grobe" wurde der hessische Innenminister oft tituliert, als "Kochs Kronprinz" galt er in Wiesbaden spätestens seit jenem Januar 2008, als völlig offen war, ob der Ministerpräsident die "Ypsilanti-Schlappe" politisch überleben würde.
Kein Wunder: Bouffier ist in der hessischen CDU so verankert wie Koch selbst. Früh Bezirksvorsteher in seiner Heimatstadt Gießen, dann im Kreistag, seit 1982 im hessischen Landtag, von 1993 bis 1999 als stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Bouffier und der zuletzt gescheiterte Franz Josef Jung waren Kochs Freunde und Weggefährten. Aber stets war klar, wer in dem Trio Koch war, und wer Kellner war. In der Rolle des Anführers ist Bouffier lediglich aus seiner Zeit bei der Jungen Union Hessen bekannt, deren Vorsitzender er acht Jahre lang war. Man verstand sich seitdem, ziemlich gut sogar. Die Geschichte jenes Beistandspakts, der mit einem Treueschwur im Hinterzimmer der Autobahnraststätte Wetterau auf der A 5 geschlossen wurde, ist legendär.
Mit dem Machtwechsel 1999 übernahm der studierte Jurist Bouffier das Innenressort im Kabinett seines engen Freundes Koch. Die Themen, die er fortan wählte, waren ganz nach dem Geschmack der konservativen hessischen Christdemokraten: Bouffier ließ einen "Wachdienst" gründen, der Polizeibeamte entlasten sollte, kämpfte für die in Hessen bis dato gesetzlich nicht gedeckte Raster- bzw. Schleierfahndung gegen Islamisten, wollte den "finalen Rettungsschuss" und ließ umfangreiche Verfassungsschutzberichte herausgeben, in denen auch der extremen Linken viel Platz eingeräumt wurde.
Keine Überraschung, dass Bouffier auch für mehr Überwachung durch Videokameras stritt und quasi am laufenden Band neue Konzepte präsentierte, wie mit neuen Kennzeichenlesegeräten, den Mitteln der DNA-Analyse oder der Telekommunikationsüberwachung noch mehr Kriminelle überführt werden könnten. Je mehr Kritik ihm das öffentlich einbrachte, umso mehr schien ihn die Parteibasis zu schätzen. Auf Versammlungen erntete der volkstümlicher wirkende Bouffier mit seinen markigen Sprüchen bisweilen sogar mehr Applaus als Koch. Es focht seine innerparteiliche Beliebtheit auch nicht an, dass manche Novellen des hessischen Polizeigesetzes, die den Behörden immer weiter reichende Möglichkeiten zur Strafverfolgung geben sollten, zum Teil sogar vom Bundesverfassungsgericht als unzulässig erachtet wurden. Auf der bundespolitischen Bühne machte sich Bouffier in all der Zeit jedenfalls konsequent rar. Er überließ dem Ministerpräsidenten als strategischem Kopf das Feld. Ein, zwei Auftritte in der Talkshow von Sabine Christiansen - mehr ist von Bouffier kaum im Gedächtnis. Trotzdem ist der dreifache Familienvater in der CDU Deutschlands ordentlich vernetzt. Auch Bouffier soll Mitglied jenes "Andenpakts" gewesen sein, in dem sich 1979 Christian Wulff, Peter Müller, Günther Oettinger und andere die Treue geschworen haben. Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel es mit Bouffier am Ende leichter haben könnte, glaubt in der Union schon deshalb kaum einer.
Als unwahrscheinlich gilt auch, dass Bouffier über die "Polizeichef-Affäre" stolpern könnte, zu dessen Aufklärung ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingerichtet wurde - es ist der dritte, der sich seit 1999 mit Bouffiers Amtsführung befasst. Diesmal heißt es, er habe einen Parteifreund ohne korrektes Auswahlverfahren zum Präsidenten der hessischen Bereitschaftspolizei gemacht. Bouffier bestreitet das.