Berlin will Finanzmarktsteuer. “Leerverkäufe“ werden verboten. Einigung auf Sparpaket. Hamburg fehlen 143 Millionen
Berlin/Brüssel. Die Europäische Union und Deutschland nehmen die Verursacher der Finanzmarktkrise mit geballter Kraft ins Visier.
Gegen den massiven Widerstand von Großbritannien sollen künftig Hedgefonds (sie betreiben hochspekulative Anlagegeschäfte) stärker an die Kette gelegt werden. Das beschlossen gestern die EU-Finanzminister in Brüssel. Künftig sollen sich Fondsmanager bei nationalen Behörden registrieren lassen, Angaben über ihre Strategie machen sowie ihre Risiken absichern. Europa dürfe nicht länger "tatenlos zusehen, wenn Finanzhasardeure ganze Staaten oder Industriezweige an die Wand drücken", sagte der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann.
Die Bundesregierung verpflichtete sich gleichzeitig, sich in Europa und bei den führenden Industrienationen G20 für eine Bankenabgabe sowie eine Finanztransaktionssteuer einzusetzen. Dagegen hatte sich FDP-Chef Guido Westerwelle lange gewehrt. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin wurde umgehend aktiv und verbietet mit Wirkung von heute an hoch spekulative Wetten von Investoren auf fallende Kurse sowie "ungedeckte Leerverkäufe" von Aktien und Staatsanleihen aus Euro-Ländern. Alle Schritte sollen dazu beitragen, die internationalen Finanzmärkte an den Milliardenkosten der aktuellen Krise stärker zu beteiligen und vor allem die Auslöser zu bekämpfen.
Während sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ohne Wenn und Aber hinter die Einführung einer Transaktionssteuer stellte, sorgte der Beschluss der Koalitionsführung in der FDP für Aufruhr. Der liberale Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler trat aus Protest von seinem Posten als Obmann im Finanzausschuss mit sofortiger Wirkung zurück. "Das bringt nichts, sondern läuft nur den Linken in diesem Land hinterher", sagte Schäffler. Nach Schätzung des österreichischen Wifo-Instituts könnte schon eine Besteuerung von Finanzprodukten von 0,05 Prozent Deutschland pro Jahr zwölf Milliarden Euro in die Kasse spülen.
Die Sozialdemokraten in Deutschland und Österreich erwägen sogar, die schärferen Regeln für die Finanzmärkte per Volksbegehren durchzusetzen. Dies kritisierte wiederum die Vorsitzende der FDP-Fraktion im EU-Parlament, Silvana Koch-Mehrin, im Abendblatt scharf: "Die SPD will offenbar den Vertrag von Lissabon missbrauchen und das EU-Volksbegehren für Zwecke der Parteipropaganda auf einem Nebenkriegsschauplatz instrumentalisieren: Das ist ein Parteibegehren und kein Volksbegehren."
Bundeskanzlerin Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) haben sich unterdessen nach einem "Handelsblatt"-Bericht auf Grundlinien eines Sparprogramms zur Haushaltskonsolidierung verständigt. Die Einsparungen im Etat 2011 sollten sich auf die Streichung steuerlicher Vergünstigungen sowie auf globale Minderausgaben in den Einzeletats der Ministerien konzentrieren. Zahlreiche Ausnahmetatbestände sollten auf ihren Nutzen überprüft werden. Keine Einsparungen werde es dagegen beim Zuschuss für die Rentenkassen oder bei den Leistungen für Arbeitslose geben.
Auch Hamburg muss den Gürtel noch enger schnallen. Der neuen Steuerschätzung zufolge fehlen der Stadt bis 2013 weitere 143 Millionen Euro gegenüber der bisherigen Planung. Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) kündigte an, Investitionen und auch städtische Leistungen und Gebühren auf den Prüfstand zu stellen.