Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag sind die Fronten im Schuldenstreit verhärtet. Athen droht mit Suche nach neuen Geldgebern
Athen/Brüssel. Im Schuldenstreit mit den Euro-Partnern droht der griechische Verteidigungsminister Panos Kammenos mit der Suche nach anderen Geldgebern. Ziel sei zwar ein Abkommen mit der EU, aber falls Deutschland unnachgiebig bleibe, müsse sich sein Land nach Alternativen umsehen, sagte der Politiker am Dienstag im griechischen Fernsehen. „Das wären am besten die USA, aber es könnten auch Russland oder China oder andere Länder sein.“ Seine rechtspopulistische Partei Unabhängige Griechen (AN.EL) war überraschend Junior-Partner in der Koalitionsregierung von Linken-Chef Alexis Tsipras geworden. Die EU-Kommission betonte, nicht mit einer Einigung in den nächsten Tagen zu rechnen.
Der griechische Außenminister Nikos Kotzias erneuerte am Dienstagabend in Berlin die Forderung nach milliardenschweren Reparationszahlungen Deutschlands an sein Land für erlittenes Unrecht während des Zweiten Weltkriegs. Er habe in seiner Tasche den Auszug aus der Rede von Ministerpräsident Alexis Tsipras, in dem er Reparationen fordere, sagte Kotzias bei einem Treffen mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Er wies die Forderung zurück. Alle Reparationsfragen seien rechtlich abgeschlossen, sagte er. Auf die Frage, ob Griechenland in der Schuldenkrise auf finanzielle Hilfe aus Russland setze, wich Kotzias aus. Sein Land strebe eine europäische Lösung an, erklärte er. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble forderte Athen zu klaren Aussagen über den weiteren Weg auf. „Die öffentlichen Verlautbarungen sind eher verwirrend“, sagte Schäuble.
Am heutigen Mittwoch – einen Tag vor dem EU-Gipfel – treffen sich die Euro-Finanzminister, um abermals eine Lösung zu suchen. An den Finanzmärkten wird spekuliert, dass dort ein erster Schritt hin zu einem Kompromiss gemacht werden könnte. Tsipras und sein Finanzminister Giannis Varoufakis streben einen radikalen Kurswechsel an und wollen dafür eine Art Brückenfinanzierung durch die internationalen Geldgeber bis Anfang Juni erreichen. Um eine erneute Verlängerung des Ende Februar auslaufenden Hilfsprogramms will die neue Regierung nicht bitten. Stattdessen will sie die Reformauflagen zurückdrehen und etwa den Mindestlohn wieder anheben sowie entlassene Staatsdiener wieder einstellen. Auch Privatisierungen werden oder sollen gestoppt werden.
Im Zentrum des eintägigen Spitzentreffens der 28 Staats- und Regierungschefs am Donnerstag stehen die Eskalation des Ukraine-Konflikts und der griechische Schuldenstreit. Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem wird den 28 „Chefs“ über die Verhandlungen mit Griechenland berichten. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker fordert von Athen Kompromissbereitschaft: „Es kann nicht so sein, dass die 27 oder die 18 anderen Euro-Staaten sich unilateral in Richtung Athen bewegen“, sagte er der Deutschen Welle. „Da braucht es schon eine gegenseitige Bewegung.“
EU-Ratschef Donald Tusk will beim Gipfel explizit keine Verhandlungen zu Griechenland. Das sei Sache der Euro-Gruppe, lautet das Credo des früheren polnischen Regierungschefs. Alexis Tsipras wird sich aber laut Diplomaten die Chance nicht nehmen lassen, bei seinem ersten Auftritt in der illustren Runde für seine Anliegen zu werben, seinem Land rasch Entlastung bei den Schulden zu verschaffen und die äußerst unbeliebte Geldgeber-Troika abzuschaffen.
Der deutsche Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter bekräftigte am Dienstag die deutsche Position, dass Griechenland Verträge nicht einseitig kündigen könne. Unter dieser Bedingung gebe es Verhandlungsspielraum, Griechenland müsse sich aber noch bewegen, sagte er in der ARD. Die Position der europäischen Finanzminister sei klar: „Es ist nicht an Europa zu überlegen, was zu machen ist, sondern an den Griechen, ihre Position zu überdenken.“ Er hoffe, dass es hierzu ein Signal am Mittwoch gebe, sagte Kampeter. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Griechenland aufgefordert, ein klares Konzept zur Lösung der Schuldenkrise vorzulegen.
Ohne Kompromiss droht dem Euro-Land erneut die Staatspleite, die bislang mit Finanzhilfen in Höhe von 240 Milliarden Euro verhindert werden konnte. Sollte es nicht bald eine Einigung auf eine Brückenfinanzierung geben, sei damit zu rechnen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) griechische Banken nicht mehr mit sogenannten ELA-Liquiditätshilfen unterstütze, warnten die Ökonomen der BayernLB. Dann seien ein Sturm der griechischen Sparer auf die Geldhäuser, innenpolitische Turbulenzen und Neuwahlen nicht auszuschließen.
Am späten Dienstagabend wollte sich die neue griechische Regierung einem Vertrauensvotum im Parlament stellen. Das galt als ein formeller Vorgang. Das Bündnis aus der Linkspartei Syriza und der AN.EL. hat eine Mehrheit von 162 der 300 Abgeordneten.