1,5 Millionen Menschen gedenken in Paris der 17 Todesopfer der Terrorattentate.
Paris. Sie schwenken die Trikolore, halten Buntstifte und Luftballons mit der Aufschrift „Je suis Charlie“ in die Höhe. Sie singen die Marseillaise, Frankreichs Nationalhymne, und rufen zwischendurch immer wieder: „Wir haben keine Angst, vive la France (Es lebe Frankreich). Frankreich steht auf.“ Es sind rund 1,5 Millionen Menschen, die an diesem Sonntagnachmittag in Paris auf die Straße gehen, um für Pressefreiheit und gegen Extremismus zu demonstrieren, um der 17 Opfer zu gedenken, die letzte Woche bei Attentaten in Paris getötet wurden. Nach Angaben des französischen Fernsehens ist es die größte Kundgebung in Paris seit der Befreiung von den Nazis. Gedenkmärsche für die Anschlagsopfer sind am Sonntag aber auch in anderen Städten des Landes abgehalten worden. Dabei seien in Frankreich so viele Menschen auf die Straßen gegangen wie noch nie zuvor in der Geschichte. Landesweit wurden mindestens 3,7 Millionen Demonstranten gezählt, wie das Innenministerium am Sonntagabend mitteilte.
Neben Präsident François Hollande und seinem Vorgänger Nicolas Sarkozy sind auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie etwa 50 andere ausländische Staats- und Regierungschefs nach Paris gekommen, um an dem „Republikanischen Marsch“ teilzunehmen. „Paris ist heute Hauptstadt der Welt“, rief Hollande den Mitgliedern seiner Regierung zu. „Frankreich wird sich erheben zu etwas Besserem.“
Es ist 14.30 Uhr, als der Bus mit den Angehörigen der 17 Opfer an der Place de la République eintrifft. Um den Kopf tragen sie weiße Bänder, auf denen „Charlie“ steht. Die ersten Teilnehmer des Gedenkmarsches harren dort bereits seit Stunden aus. Sie entstammen allen Gesellschaftsschichten, allen Religionen, allen Altersgruppen, allen Parteien. Viele legen Kerzen, Buntstifte und Briefe in Erinnerung an die Ermordeten ab.
Zakaria Moumni ist bereits seit acht Uhr morgens vor Ort. „Es bewegt mich, was seit drei Tagen passiert ist“, sagt der marokkanischstämmige Franzose. „Diese Männer sind Kriminelle.“ Ein paar Meter weiter unterhalten sich zwei ältere Damen. Für die Bankangestellte Marie-France ist es die erste Demonstration ihres Lebens. Sie habe diesen Schritt getan, weil sie gespürt habe, dass er wichtig sei, erklärt sie. Der Platz de la République ist schwarz vor Menschen, als der Bus mit Hollande und den Staats- und Regierungschefs um 15.18 Uhr eintrifft. Merkel, der britische Premierminister David Cameron, der italienische Regierungschef Matteo Renzi und sein spanischer Amtskollege Mariano Rajoy, der israelische Premier Benjamin Netanjahu und der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas, Vertreter der Golf-Staaten und Nordafrikas sind gekommen.
Angela Merkel und Hollande stehen mit ernsten Gesichtern Seite an Seite, als sich der Gedenkzug um 15.26 Uhr mit den Familien der Opfer an der Spitze in Bewegung setzt. Wo er auch vorbeikommt, immer wieder bricht Applaus in der Menge aus. In der Luft kreisen Hubschrauber, auf den Gebäuden entlang der Marschrouten sind Scharfschützen positioniert. Rund 2200 Einsatzkräfte sichern die Veranstaltung ab. Elf Metrostationen waren vorsorglich geschlossen worden.
Zusätzlich sind an diesem Sonntag 2000 Polizisten und 1350 Soldaten in der Hauptstadt im Einsatz. Innenminister Bernard Cazeneuve hatte den Anti-Terror-Plan „Vigipirate“ im Großraum Paris nach dem Attentat auf die Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ auf die höchste Stufe „Anschlagsalarm“ angehoben. Sie soll beibehalten werden, kündigte er an. „Die harte Prüfung, mit der Frankreich konfrontiert ist, betrifft nicht nur Europa, sondern alle Demokratien“, sagte er nach einem Treffen zum Thema Terrorismus vor dem Gedenkmarsch, an dem auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière und US-Justizminister Eric Holder teilnahmen. „Der Terrorismus betrifft uns alle, er unterscheidet nicht zwischen Nationen oder Kontinenten.“ Man wolle deshalb in Europa verstärkt zusammenarbeiten, um Reisen ausländischer Terrorkämpfer zu verhindern und die Radikalisierung im Internet zu bekämpfen. Für Februar ist zudem ein Gipfel in Washington zum Thema Terrorismus geplant, kündigte Holder an.