Ehre sei Gott in der Höhe – Millionen Christen und gemäßigte Muslime werden weltweit von Extremisten mit äußerster Brutalität verfolgt.
Hamburg. Die Weihnachtsgeschichte ist nicht ferne Vergangenheit, ein Märchen aus alten Zeiten. Sie ist Gegenwart in den Erfahrungen der Menschen auf dieser Erde. Das macht sie authentisch. „Ehre sei Gott in der Höhe“, ruft die Schar der Engel über dem Jesuskind in der Krippe. Der Himmel geht auf über dem Kind, das die Mitte der Menschenfamilie bildet: der Christenheit an allen Orten und zu allen Zeiten, in der Familie der Menschen guten Willens, an denen Gott seine Freude haben will. Weihnachten gilt nach der Überzeugung der Christen nicht einem auserwählten Kreis, sondern ist ein Zeichen für alle. Die Christen wollen keine Sondergruppe bilden, sie sind offen für die ganze Menschheit.
Es gab Zeiten, da haben auch die Christen weltweit Mission betrieben. Sie waren mit den europäischen Kolonialmächten verbunden. Missionare sind den Eroberern gefolgt, meist in der Sorge für Menschen, für religiöse Erziehung und Bildung, im Dienst und Aufbau von Krankenstationen, in der Ausbildung für die vielen Berufe. Aber es gab immer auch Fehlverhalten unter dem Anspruch „westlicher“ Überlegenheit. Ein eigenes Kapitel bilden im Mittelalter die Kreuzzüge,in denen die christlichen Länder Europas – oft angefeuert durch die Kirche – dem Vordringen des Islam militärisch entgegentreten wollten. Das war ein schlimmer Irrweg, wie die Kirche einsehen musste. Aber es bleibt eine belastende Erinnerung, die bis heute gerade gegenüber den Muslimen nachwirkt.
Fast sieben Milliarden Menschen leben heute auf unserem blauen Planeten. Die meisten gehören einer Religion an. Die stärkste Gruppe sind die Christen mit über zwei Milliarden. Dann kommen schon die Muslime mit etwa 1,3 Milliarden. Und diese Religionen streiten oft genug miteinander. Häufig werden sie als Mittel, als ideologische Rechtfertigung oder Verbrämung politischer Ziele missbraucht. Sie lassen sich missbrauchen, weil sie selbst Religion und Politik vermischen. Sie machen dem Namen Gottes in der Höhe keine Ehre – ja, sie schänden ihn.
100 Millionen Christen weltweit werden mit äußerster Brutalität verfolgt: in Afrika, in den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens, in Asien. Meist sind radikale islamistische Gruppen die Täter. Auch Muslime erleiden Schrecken und Verfolgung durch die islamistischen Extremisten. Sie haben in arabischen Ländern und in Afrika Opferzahlen, die in den letzten Jahren in die Hunderttausende gehen.
Besonders brutal geht es im Irak zu. Bis zum Jahr 2003 lebten dort etwa 1,3 Millionen, größtenteils orthodoxe, Christen. Seit den ersten Anfängen der Christenheit – Jahrhunderte vor den Muslimen – hatte sie dort ihre Heimat. Alte, einzigartige Traditionen sind bei ihnen zu Hause. Sie gehören zur alt eingesessenen Mittel- bzw. Oberschicht. Jahrhundertelang haben sie mit ihren muslimischen Nachbarn friedlich zusammen gelebt. Aber jetzt ist der Wahn ausgebrochen: Nachbarn werden zu Feinden, christliche Kirchen werden gestürmt und durch Brandanschläge zerstört oder geschändet, so die Kathedrale in Bagdad. Der Bischof von Mossul wurde entführt und ist an den Folgen gestorben. Sein Nachfolger, Bischof Nona, den ich persönlich erleben durfte, berichtet von der Katastrophe: Von 1,3 Millionen Christen sind heute nur noch etwa 400.000 übrig geblieben. Das Schlimmste ist die Feindschaft unter den normalen Menschen, die andere gnadenlos ausliefern.
Hauptgrund für die Verfolgung ist bekanntlich der „Islamische Staat" (IS) mit seinem Anführer Ibrahim Abu Bakr al-Baghdadi. Er hat Theologie studiert und die entsprechende Ausbildung erfahren. Jetzt will er mit Gewalt ein Kalifat errichten. Alle nichtsunnitischen Gläubigen werden bekämpft, auch Muslime. Zwangsbekehrungen sind allgemeine Praxis. Große Geldsummen werden erpresst, Männer werden getötet, Frauen verschleppt und vergewaltigt.
In Syrien – für uns in Deutschland aufgrund der Flüchtlinge besonders wichtig – sind die Christen weithin vertrieben. Über zwei Millionen Flüchtlinge leben in den Nachbarländern Jordanien, Libanon und in der Türkei. Der Erzbischof von Aleppo, Gregorios, und Bischof Bulos sind bis heute entführt. Es gibt keine Nachrichten von ihnen. Gerade in diesen Tagen wurde in Syrien ein Massengrab mit Zivilisten des muslimischen Scheitat-Stammes entdeckt, der sich dem IS gegenüber verweigert hatte.
Die Aufzählung nimmt kein Ende. Christen und auch Muslime, die den Islamisten nicht folgen, sind betroffen. Die islamistische Sekte Boko Haram in Nigeria will ein Kalifat im Norden des Landes errichten und übt furchtbaren Terror aus. Über 200 Mädchen einer christlichen Schule sind bis heute gefangen und erleiden Unvorstellbares. Beim Anschlag auf die Moschee in Kano hat es Hunderte von Toten oder Verletzten gegeben. Halten wir fest, was wir sehen: Die islamistische Miliz der Taliban hat gerade in diesen Tagen über 130 Schulkinder in Peschawar ermordet, ohne Gnade, allein um die Menschen einzuschüchtern und zu erschrecken. So geht es weiter…
Wer protestiert dagegen? Großayatollah Sistani im Irak erklärt gegenüber dem bekannten Schriftsteller Navid Kermani, der davon im „Spiegel“ berichtet, die Kirchen in seinem Land wüssten schon, dass er ihnen beistehe. Aber ein vernehmbarer Protest ist ihm nicht abzuringen: „Ich glaube nicht an öffentliche Erklärungen.“ Auch andere vereinzelte Stimmen erheben sich. Kluge muslimische Gelehrte, 120 an der Zahl, haben dem Kalifen des IS in einem öffentlichen Brief widersprochen. Der Papst ist mit seinen weltweiten Protesten zu hören, ein Mahner, der den Verantwortlichen ins Gewissen redet und die Opfer nicht aus dem Blick verliert.
Die Realitäten dieser Welt sind hart. Es ist kalter Winter, unschuldige Menschen leiden. Zum Schluss ein Blick auf die monströse und ungeheuerliche Realität in Nordkorea – ein Land, das eitel und brutal durch einen „lieben Führer“ vor die Welt tritt. Als Christen aus Südkorea vor Kurzem ankündigten, sie würden, in gutem Abstand zur Grenze, aber doch weithin sichtbar, einen besonders hohen Weihnachtsbaum in Form eines Turms in den finsteren Norden hineinleuchten lassen, drohte der große Führer auf seinen Kanälen lautstark mit Raketenbeschuss. Was soll man dazu sagen? Die Christen im Süden waren die Klügeren, sie haben die Lichter des Baums nicht angeschaltet.
So bleibt die Weihnachtsgeschichte bedrückend aktuell: Fromme werden verfolgt, Gottes Name wird geschändet. Und was tun wir? Wir schrecken kurz auf und gewöhnen uns dann doch wieder an die Zustände. Wir diskutieren und kommen vor lauter Bedenken nicht zu Entscheidungen. „Ehre sei Gott in der Höhe“, rufen die Engel uns zu. Nur Friedensstifter mit Mut und Leidenschaft können Gottes Namen auf Erden Ehre machen.