Der Kremlchef zeigt sich von den Strafmaßnahmen in der Ukraine-Krise unbeeindruckt
Brüssel. Dialogangebote und Sanktionen – seit Monaten versucht die EU ohne Erfolg, Russland im Ukraine-Konflikt zum Einlenken zu bewegen. Immer mehr EU-Staaten wird klar, dass sie sich bei der Hoffnung auf eine Wirkung der Strafmaßnahmen verkalkuliert haben. Obgleich Russlands Wirtschaft leidet, unterstützt Kreml-Machthaber Wladimir Putin unvermindert die Separatisten in der Ostukraine. Am Montag beraten die EU-Außenminister über die Zukunft ihrer Strategie. Die Strafmaßnahmen träfen zwar die angeschlagene russische Wirtschaft, stärkten aber auch „Putins Popularität zu Hause“, sagte ein Vertreter eines EU-Landes. „Es ist nicht sicher, ob die Sanktionen dies kurz- oder mittelfristig ändern.“
Nach Ansicht Putins könnten die Sanktionen zum Bumerang werden. Wenn Russland weniger Zugang zum Kapitalmarkt habe, schädige das die westlichen Exporte, sagte Putin in einem ARD-Interview, das am späten Sonntagabend ausgestrahlt werden sollte. „Wenn unsere Finanzinstitute von ihren Quellen abgeschnitten werden, können sie weniger Kredite an russische Firmen vergeben, die mit deutschen Partnern arbeiten“, sagte Putin. „Früher oder später wird es Sie genauso treffen wie uns.“ Die Kosten lägen für Europa nach Schätzung der EU-Kommission bei fünf bis sechs Milliarden Euro. Und Putin schiebt noch die Warnung nach, dass in Deutschland Hunderttausende Arbeitsplätze am Handel mit Russland hingen. Zudem könnten sich russische Banken wegen der Sanktionen gezwungen sehen, ihre Milliardenkredite an die Ukraine zurückzufordern, sagte Putin. So habe Kiew bei der staatlich kontrollierten Gazprombank vor Inkrafttreten der Sanktionen Kredite in Höhe von gut 2,5 Milliarden Euro aufgenommen.
Der Präsident räumt ein, dass die Sanktionen Russland treffen
Putin räumte ein, die Sanktionen träfen die Wirtschaft seines Landes. „Das bequeme Leben, als wir nicht mehr tun mussten, als mehr Öl und Gas zu produzieren, um uns alles andere zu kaufen, sind eine Sache der Vergangenheit“, sagte er. „Jetzt müssen wir darüber nachdenken, Güter selbst herzustellen, nicht bloß Öl und Gas.“
Es sei eine „Fehleinschätzung“ der EU gewesen, darauf zu hoffen, dass russische Unternehmer Putin wegen der Sanktionen zum Einlenken drängen würden, sagte Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations (ECFR). Die Wirtschaftsbosse hätten „Einfluss auf den inneren Kreis um Putin verloren“ und wollten angesichts der Popularität der Ukraine-Politik des Präsidenten „nicht unpatriotisch erscheinen“.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte in der vergangenen Woche zusätzliche Wirtschaftssanktionen größeren Umfangs ausgeschlossen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte nun der „Welt am Sonntag“, der wirtschaftliche Druck auf Moskau sei „schon jetzt erheblich – zum kleineren Teil als Folge von Sanktionen, zum größeren Teil als Folge von Kapitalflucht, Investitionsunsicherheit, Währungsverfall und niedrigerem Ölpreis“.
Die EU-Staaten bereiteten deshalb für den Außenministerrat eine eher symbolische Ausweitung der Sanktionen vor. Es würden Strafmaßnahmen gegen ukrainische Separatisten erörtert, die auf die EU-Liste mit Einreise- und Vermögenssperren gesetzt werden könnten, sagte Steinmeier. Ein EU-Diplomat sagte, es gebe unter den Europäern Widerstand gegen die Aufnahme weiterer Russen. Bisher stehen auf der EU-Sanktionsliste 119 Ukrainer und Russen sowie 23 Unternehmen und Organisationen.
Die EU setzt stattdessen auf einen neuen Anlauf für einen Dialog mit Putin. Steinmeier plant für Dienstag eine Reise über Kiew nach Moskau.