USA und ihre arabischen Verbündeten fliegen Angriffe gegen IS-Milizen. Deutschland debattiert über Gesetze, um Dschihadisten fernzuhalten. Hamburgs Innensenator Neumann macht dazu eigene Vorschläge.
Hamburg/Berlin. Es geht um Krieg, und doch sieht es aus wie eine Werbekampagne. Die Vereinigten Arabischen Emirate veröffentlichen Bilder einer jungen Pilotin, die eine Kampfjet-Einheit gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) anführt. Die Bilder sind auch Symbol: Hier kämpft eine moderne, aufgeschlossene muslimische Gesellschaft gegen Kriminelle, die sich auf den Islam berufen. Während die USA gemeinsam mit den arabischen Golfstaaten gegen den IS vorgehen, ist in Deutschland eine Debatte über schärfere Gesetze gegen potenzielle Dschihadisten aus der Bundesrepublik entfacht. Nach Angaben des Chefs des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, kämpfen derzeit mehr als 400 Deutsche derzeit an der Seite des Islamischen Staats (IS), mehrere Tausend sind es aus ganz Europa. 125 deutsche Anhänger seien wieder zurück in Deutschland.
Auch die Hamburger Sicherheitsbehörden sehen in der steigenden Zahl junger Dschihadisten und zurückgekehrter Kämpfer eine Gefahr. Wie mehrere aus Union und SPD erhöht auch Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) den Druck auf die eigene Bundesregierung von CDU, CSU und SPD. „Mich ärgert, dass der Bund seit Monaten in der Gesetzesdebatte über den Umgang mit gewaltbereiten Extremisten keinen Schritt weiterkommt“, sagte Neumann dem Hamburger Abendblatt. Während die Bundesregierung „nicht zu einer schnellen Lösung“ finde, würden „täglich junge Menschen in den Heiligen Krieg“ ausreisen.
Aus Sicht des Innensenators seien nun drei Schritte notwendig im Kampf gegen potenzielle Dschihadisten: „Erstens müssen wir gewaltbereiten Extremisten nicht nur den Reisepass entziehen, sondern auch den Personalausweis, mit dem sie noch immer in die Türkei und von dort nach Syrien ausreisen können.“ Neumann wies darauf hin, dass ein Pass nach geltender Rechtslage bereits entzogen werden kann, wenn der begründete Verdacht besteht, dass jemand das Land verlassen will, um ausländische Terrorgruppen zu unterstützen. Im Personalausweisgesetz fehlten jedoch entsprechende Bestimmungen. Das Bundesinnenministerium bestätigte Überlegungen, den Dschihadisten den Personalausweis zu entziehen. Eine andere Möglichkeit sei, diesen zu markieren, um eine Ausreise zu stoppen.
Auch die Grünen fordern die Kennzeichnung der Ausweise potenzieller Dschihadisten und üben zugleich Kritik an der Bundesregierung. „Das hätte schon längst passieren sollen und wäre viel effektiver als diese endlose Debatte über die Ausbürgerung von Dschihad-Rückkehrern“, sagte der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck. Ulla Jelpke von der Partei Die Linke bezeichnete einen Sichtvermerk im Ausweis hingegen als „unverhältnismäßig, weil es sich eben nicht um Straftäter handelt, sondern um Personen, die lediglich im Verdacht stehen, sie könnten künftig Straftaten begehen“. Die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Selmin Caliskan, warnte vor einer „Verdächtigung und Sanktionierung Unschuldiger im Kampf gegen IS“.
Neumann fordert zudem, die Teilnahme an einem Terrorcamp unter Strafe zu stellen: „Es ist irrwitzig, dass selbst junge Deutsche, die in Internet-Videos oder in sozialen Netzwerken mit Waffen in der Hand für eine Terrorgruppe werben, nicht strafrechtlich verfolgt werden können.“ Derzeit setzt Paragraf 89 des Strafgesetzbuchs eine Haftstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren an, sofern eine „schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet“ werde. Dies gelte auch für Deutsche im Ausland, wie im Fall von IS-Kämpfern. Bislang ist eine Ausbildung doch nur strafbar, wenn der Person gleichzeitig eine konkrete Absicht zur Verübung von Anschlägen nachgewiesen werden kann. Das ist jedoch im Einzelfall schwer zu belegen.
Doppelpass stellt Justiz vor Probleme
Drittens sieht Hamburgs Innensenator eine Gesetzeslücke im Umgang mit Dschihadisten, die eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen. Während bei potenziellen Dschihadisten mit einem ausländischen Pass in Deutschland das Ausländerrecht greife und bei einem Deutschen das Staatsbürgerrecht, zeige sich bei Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft eine Gesetzeslücke. „Sobald eine Person die doppelte Staatsbürgerschaft besitzt, ist sie oder er Deutscher, und es gilt nicht mehr das Ausländerrecht. Das bedeutet, dass diesem Menschen zwar der deutsche Pass entzogen werden kann, aber eben nicht der ausländische Pass.“ Neumann hob hervor, dass Deutschland mit der doppelten Staatsbürgerschaft „einen großen Schritt in Richtung moderner Zuwanderungspolitik“ gegangen sei. Dennoch müsse diese Lücke „schnellstens geschlossen werden, sodass die Behörden in einzelnen Fällen beide Pässe von Extremisten einziehen können – den deutschen und den ausländischen“. Das Bundesinnenministerium prüft derzeit, Islamisten mit doppelter Staatsbürgerschaft die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen. Laut Verfassungsschutz besitzen 61 Prozent der aus Deutschland in den Krieg gezogenen Personen die deutsche Staatsangehörigkeit, 24 Prozent haben einen Doppelpass.
Der Innensenator erwarte, dass die Koalition die Forderungen nach schärferen Gesetzen „bis Ende Oktober“ umsetze. „Sollte der Bund keine klaren Regeln bis Ende Oktober beschließen, startet Hamburg eine Bundesratsinitiative, um die Handlungsfähigkeit des Staates wiederherzustellen.“