„Washington Post“ und „Guardian“ erhalten begehrte Auszeichnung. Opposition fordert Asyl für Snowden
New York. Die US-Zeitung „Washington Post“ und der britische „Guardian“ haben für ihre Recherchen über die Spähprogramme des US-Geheimdienstes NSA den begehrten Pulitzerpreis gewonnen. Die beiden Blätter teilen sich den Journalistenpreis in der Hauptkategorie „Dienst an der Öffentlichkeit“ für ihre Berichterstattung über die Dokumente des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden, wie das Vergabekomitee an der Columbia Universität in New York am Montag mitteilte. Snowden erklärte im „Guardian“, seine Arbeit wäre „bedeutungslos“ gewesen ohne die Zeitungen und Reporter.
Der „Guardian“, der auch eine Online-Ausgabe für die USA betreibt, habe mit seiner „aggressiven Berichterstattung“ eine „Debatte über das Verhältnis zwischen der Regierung und der Öffentlichkeit über die Themen Sicherheit und Privatsphäre“ ausgelöst, hieß es in der Begründung. Auch die „Washington Post“ habe mit „zuverlässigen und aufschlussreichen Berichten“ das öffentliche Verständnis der massiven NSA-Überwachungsprogramme geschärft. Der mit 10.000 Dollar dotierte Pulitzer wird in insgesamt 21 Kategorien vergeben und gilt als wichtigster Preis für Print-Journalismus in den USA. Die Preisverleihung findet Ende Mai an der Columbia University in New York statt.
Durch die Enthüllungen auf Grundlage der Snowden-Dokumente kamen seit Juni vergangenen Jahres die Spähaktivitäten der National Security Agency und verbündeter Geheimdienste ans Licht. So überwachte die NSA nicht nur massenhaft E-Mails und Telefonate von unbescholtenen Bürgern rund um die Welt, sondern hörte auch Spitzenpolitiker aus befreundeten Staaten ab, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
An der investigativen Berichterstattung über die Snowden-Dokumente waren eine Vielzahl von Medien beteiligt, in Deutschland deckten etwa „Der Spiegel“ und ein Rechercheteam von „Süddeutscher Zeitung“ und Norddeutschem Rundfunk Einzelheiten der NSA-Überwachung auf. Die „Washington Post“ und der „Guardian“ gelten aber als die Zeitungen, die den Skandal ins Rollen brachten. Snowden hält sich seit dem vergangenen Sommer in Moskau auf. Russlands Präsident Wladimir Putin gewährte ihm Asyl, nachdem Snowden etwa zwei Dutzend andere Staaten vergeblich darum ersucht hatte. „Wenn er hierbleiben möchte, gibt es eine Bedingung: Er muss mit seiner Arbeit aufhören, die darauf gerichtet ist, unseren amerikanischen Partnern Schaden zuzufügen – so merkwürdig sich das aus meinem Mund auch anhören mag“, sagte Putin damals.
In Deutschland soll ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss die Aktivitäten der NSA aufklären. Die Opposition im Bundestag will Snowden als Zeugen in den NSA-Ausschuss laden. Die Koalition aus Union und SPD vertagte die Entscheidung jedoch. Die Bundesregierung soll zunächst Stellung nehmen, ob und wie eine Befragung möglich wäre.
SPD-Chef Sigmar Gabriel hält wenig von einer Vernehmung Snowdens in Deutschland. Er habe die Sorge, dass Snowden dann Gefahren ausgesetzt wäre, die auch die Bundesregierung nicht überschauen könnte, sagte der Bundeswirtschaftsminister am Dienstag in Berlin. Er spielte damit auf einen möglichen Zugriff der US-Geheimdienste an, sollte der von Washington per Haftbefehl gesuchte Snowden Moskau verlassen. Gabriel erinnerte an die erzwungene Landung der bolivianischen Präsidentenmaschine im Juli 2013 in Wien. Damals hatten die Amerikaner Snowden an Bord vermutet. „All das muss man in der realen Welt bedenken, wenn man jedenfalls nicht eine Verantwortung übernehmen will, der man vielleicht hinterher gegenüber der Person von Herrn Snowden nicht gerecht werden kann.“ Auch könne die Politik Snowden keinen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland zusichern. Darüber würden am Ende Gerichte entscheiden. Gabriel schlug vor, dass Staatsanwälte oder der Untersuchungsausschuss des Bundestages Snowden in Moskau als Zeugen befragen.
„Reporter ohne Grenzen“ hat der Bundesregierung vorgeworfen, nicht für Snowdens Sicherheit einstehen zu wollen. In einem am Dienstag in Berlin veröffentlichten Brief an Bundeskanzlerin Merkel fragt die Journalistenvereinigung, warum die Bundesregierung die Sicherheit des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters nicht garantieren könne. Menschenrechtsgruppen und Vertreter der Opposition fordern für Snowden einen sicheren Aufenthaltstitel oder Asyl in Deutschland, unabhängig von einer Zeugenvernehmung im NSA-Ausschuss des Bundestages.
Die USA wiederum verweisen auf ihre Anklage gegen den Informanten. Die Bundesregierung müsse selbst entscheiden, wie sie die Frage bewerte, sagte der Berater von US-Außenminister John Kerry, Thomas Shannon. Er erinnere aber daran, dass die USA Anklage gegen Snowden erhoben hätten: „Wenn er irgendwo hinreist, dann hoffen wir, dass er in die USA reist und sich selbst in die Hände der zuständigen Behörden begibt.“ Zu einer Auslieferung Snowdens an die USA sagte Shannon nur, die US-Regierung habe ihr Interesse daran bekundet. Nicht äußern wollte er sich zu der Frage, was passieren würde, wenn Snowden nach Deutschland käme, Berlin aber eine Auslieferung des Mannes verweigerte.