Ein ganzes Dorf und ein Bürgermeister wollen, dass die Bundeskanzlerin die Schließung einer Teddybären-Fabrik verhindert.
Lissabon. Plüschtiere als Politikum: Ausgerechnet die niedlichen Steiff-Teddybären sorgen vor dem ohnehin kontroversen Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel im krisengeschüttelten Portugal für zusätzlichen Zoff. Weil es nach Angaben des dortigen Fabrikdirektors beim deutschen Spielzeughersteller Steiff zumindest inoffizielle Pläne gibt, die Produktion in Oleiros zu schließen und aus Kostengründen nach Tunesien zu verlagern, läuft der 2300-Einwohner-Ort dieser Tage Sturm. Allen voran Bürgermeister José Marques. „Ich werde alle verfügbaren Mittel einsetzen, um Merkel bei ihrem Besuch am Montag in Lissabon unsere Sorgen mitzuteilen, damit sie selbst das Unternehmen in dieser Sache umstimmt“, sagte Marques.
Noch sei nichts offiziell, „die Pläne gibt es aber“, sagte Fabrikdirektor Narciso Guimarães der Wirtschafts-Zeitung „Jornal de Negocios“. Das Problem seien nicht fehlende Aufträge. „Das Unternehmen will billiger produzieren“, räumte er demnach ein. Ob es tatsächlich zur Schließung kommt, ist ungewiss. Das Unternehmen mit Sitz in Giengen/Brenz in Baden-Württemberg war trotz mehrfacher Versuche am Wochenende für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.
Bürgermeister Marques befürchtet für seinen Ort Schlimmstes: Der Weggang von Steiff wäre eine „Tragödie“ für das Dorf 200 Kilometer nordöstlich von Lissabon, klagt der 65-Jährige. Das Unternehmen beschäftige in Oleiros immerhin 103 Menschen, sei damit viertgrößter Arbeitgeber der Region. „Ich möchte, dass Frau Merkel erfährt, wie verzweifelt die Familien der Arbeiter sind, wie sehr sie um ihre Zukunft und um die Zukunft ihrer Kinder zittern“, sagte Marques. Wenn die Bundeskanzlerin es ernst meine mit der Aussage, dass sie Portugal helfen wolle, müsse sie handeln „und dafür sorgen, dass deutsche Firmen in unserem Land bleiben“.
Als hätte Merkel mit dem portugiesischen Sanierungsprogramm und den in Lissabon angekündigten Massenprotesten gegen ihren Besuch nicht genug zu tun, muss sie sich nun am Montag eventuell sogar auch der Kuscheltiere mit dem berühmten Knopf im Ohr annehmen. Marques ist in Portugal nämlich kein Nobody. Der Sozialdemokrat wurde mehrfach mit Orden ausgezeichnet und ist ein enger Bekannter von Präsident Anibal Cavaco Silva – mit dem Merkel am Montag in Lissabon ihr erstes Gespräch führt.
Nach Angaben von Marques ist Steiff seit 1991 in Oleiros tätig, produziert dort rund 100 000 Spielzeugtiere im Jahr. Die Firma erziele gute Gewinne, beteuert der Bürgermeister. Der Ort stelle das Fabrikgelände mit zwei Pavillons kostenlos zur Verfügung. Dieses Jahr habe allein Queen Elizabeth II. zum Thronjubiläum 10 000 der Kuscheltiere bestellt. Das Wirtschaftsministerium in Lissabon habe der Firma zudem weitere Unterstützung zugesagt.
Bürgermeister Marques ist sich sicher, dass es nicht nur um rund 100 Arbeitsplätze geht, sondern um das Überleben seines Dorfes. In den 1960er Jahren hatte Oleiros dreimal so viele Bewohner. Doch der Ort leidet, wie das gesamte Hinterland Portugals, unter der nicht zu bremsenden Landflucht. Einige Nachbarorte in der Region Castelo Branco gleichen bereits Geisterdörfern.