Innenminister Friedrich will das Schmäh-Video verbieten lassen. Das Weiße Haus befürchtet eine Dauerkrise und zieht wie Deutschland Diplomaten ab.
Hamburg. Nach den gewalttätigen Protesten gegen einen anti-islamischen Schmähfilm wappnen sich die USA für weitere Unruhen in der arabischen Welt. Bis auf eine Notbesetzung wird in Tunesien und dem Sudan alles Personal aus den dortigen Botschaften abgezogen. Auch die deutsche Botschaft in Khartum trifft Vorkehrungen. Das Weiße Haus gehe davon aus, dass die gewaltsamen Proteste zu einer „anhaltenden Krise mit unvorhersehbaren diplomatischen und politischen Konsequenzen“ führen könnten, schrieb die „New York Times“ in ihrer Online-Ausgabe vom Samstag.
Deutschland verschärfte die Reisehinweise für den Sudan. Eine Außenamtssprecherin kündigte an, dass das Personal der deutschen Botschaft ausgedünnt und zusätzliche Sicherheitskräfte entsandt würden. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte die sudanesische Regierung auf, den Schutz diplomatischer Einrichtungen zu gewährleisten. Die Botschaft, die am Freitag gestürmt worden war, ist derzeit geschlossen. Im ARD-„Bericht aus Berlin“ sagte Westerwelle am Sonntagabend, auch die Sicherheitsvorkehrungen in anderen betroffenen Ländern würden verschärft.
Westerwelle wertete die Angriffe auf die Botschaften als Taten von Extremisten. „Das sind zum Teil auch Terroristen, wenn ich an die Ermordung des amerikanischen Botschafters in Libyen denke“, ergänzte er. Sie seien jedoch nicht repräsentativ: „Die große Mehrheit der Menschen in der arabischen Welt hat sich auf den Weg gemacht in Richtung Demokratie, Rechtsstaat, auch Pluralität. Und wir sollten sie dabei unterstützen.“
Nach Ansicht des libyschen Parlamentspräsidenten Mohammed al-Magarief geht der tödliche Anschlag auf das US-Konsulat in Bengasi auf das Terrornetzwerk Al-Kaida zurück. Die Attacke, bei der US-Botschafter Chris Stevens und drei weitere Amerikaner umkamen, sei lange im Voraus geplant gewesen, sagte Magarief in einem Interview des US-Rundfunksenders NPR vom Sonntag. „Der Gedanke, dass diese kriminelle und feige Tat ein spontaner Protest war, der einfach außer Kontrolle geriet, ist völlig unbegründet und unsinnig“, sagte er.
Papst Benedikt XVI. ging bei seiner Libanon-Reise ebenfalls auf die jüngsten anti-westlichen Unruhen ein. „In einer Welt, wo die Gewalt ihren Todes- und Vernichtungszug unaufhörlich ausweitet, ist es eine Dringlichkeit, sich für eine brüderliche Gesellschaft, für den Aufbau der Gemeinschaft einzusetzen“, sagte der Kirchenführer vor Hunderttausenden Gläubigen aus dem ganzen Nahen Osten in Beirut.
+++ Die Ereignisse am Sonnabend zum Nachlesen +++
Die radikalislamischen Taliban beriefen sich nach einem Angriff auf ein Militärlager in Afghanistan auf den Schmähfilm. Die Attacke auf das Camp, in dem zurzeit der englische Prinz Harry seinen Dienst tut, sei ein Vergeltungsakt gewesen. Zwei Soldaten starben.
In der pakistanischen Hafenstadt Karachi protestierten am Sonntag mehrere hundert Islamisten vor dem US-Konsulat gegen das Schmähvideo. Dabei kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei, die Protestierer mit Tränengas und Wasserwerfern hinderte, in das schwer bewachte Konsulat einzudringen. Angaben der Demonstranten, dass es dabei einen Toten und mehrere Verletzte gegeben habe, wurden zunächst nicht bestätigt.
Insgesamt flauten die Unruhen in der islamischen Welt am Wochenende allmählich ab. In Kairo, wo die Massendemonstrationen am Dienstagabend ihren Anfang genommen hatten, räumten Sicherheitskräfte den zentralen Tahrir-Platz. Viele arabische Medien verurteilten die Krawalle, die mehrere Menschen das Leben gekostet hatten.
Der Vorsitzende des Obersten Rates der Religionsgelehrten und Groß-Mufti von Saudi-Arabien, Scheich Abdulasis bin Abdullah al-Scheich, mahnte die Muslime, sich nicht aus Wut dazu verleiten zu lassen, unschuldige Menschen zu töten und öffentliche Einrichtungen anzugreifen. Wer seinem Zorn nachgebe, mache sich letztlich nur zum Erfüllungsgehilfen der Urheber des Mohammed-Films, erklärte er.
Der mutmaßliche Drahtzieher des Videos „Unschuld der Muslime“ wurde inzwischen von den US-Behörden befragt. Der 55-jährige Nakoula Basseley Nakoula soll laut US-Medienberichten ein verurteilter Bankbetrüger sein. Wegen seiner kriminellen Vergangenheit sei dem koptischen Christen auch für fünf Jahre der Zugang zum Internet verboten worden.
Auch die Hisbollah im Libanon ruft zu Protesten gegen den Mohammed-Schmähfilm auf. Der Generalsekretär der radikal-islamischen Bewegung, Sajed Hassan Nasrallah, sagte in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache, dass es am Montag im gesamten Land zu Demonstrationen kommen werde. Die USA müssten für das Video verantwortlich gemacht werden. Kurz zuvor hatte Papst Benedikt XVI. den Libanon in Richtung Vatikan verlassen. Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche plädierte bei einem Gottesdienst in Beirut für ein Ende der Gewalt in Nahost.
Hier wurde die deutsche Botschaft angegriffen:
Mit Material von dpa