Es schien alles so einfach. Spätestens am „Super-Tuesday“ Anfang Februar, so dachten Hillary Clinton und die Mehrheit der Experten, sollte die frühere First Lady die Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin der Demokraten in der Tasche haben, alle Vorwahlen danach seien reine Formsache. Dann kam ein junger schwarzer Senator aus Illinois,...
Washington. ...sprach mitreißend von "Wandel" und "Hoffnung" - und plötzlich war jede Gewissheit auf den Kopf gestellt. Nun stehen bis Dienstag die drei letzten Vorwahlen an, und kaum einer zweifelt, dass es Barack Obama sein wird, der in den Kampf ums Weiße Haus zieht. Nach Monaten des Dauer-Duells erwartet Amerika - endlich - die Woche der Entscheidung. Das Endspiel in der "Schlacht epischen Ausmaßes", wie der "Boston Globe" schrieb, hat begonnen.
Clinton wirkt abgekämpft dieser Tage, aus ihrer Miene scheint manchmal Resignation zu sprechen. Doch zumindest nach außen hin gibt sie sich noch immer zuversichtlich, spricht von sich selbst als "dem besseren Kandidaten" gegen den Republikaner John McCain. Was noch an Hoffnung geblieben ist, richtet sich auf den Regelausschuss der Demokratischen Partei. An diesem Samstag berät das Gremium, was mit den 368 Delegierten aus Florida und Michigan geschehen soll. Weil beide Staaten ihre Vorwahlen regelwidrig vorverlegten, wollte die Partei die Abstimmungen nicht anerkennen, den Delegierten auf dem Nominierungsparteitag im Spätsommer kein Stimmrecht geben. Beide Wahlen hatte Clinton gewonnen, doch in Michigan stand der Name Barack Obamas noch nicht einmal auf den Stimmzetteln.
Jetzt will die Senatorin, dass möglichst alle Delegierten beider Staaten mitstimmen dürfen, um den praktisch uneinholbaren Vorsprung Obamas zumindest zu schmälern - und die rund 200 noch unentschiedenen Superdelegierten, die unabhängig zwischen den Kandidaten wählen können, auf ihre Seite zu ziehen. Per Werbebrief in eigener Sache wandte sich Clinton dieser Tage ganz direkt an die Partei-Elite. Aber wie es aussieht, läuft alles auf einen Kompromiss hinaus, bei dem die Hälfte der Delegierten abstimmen darf - zumindest wäre das nach Ansicht von Partei-Juristen der rechtlich gangbarste Weg. "Ein Rückschlag für Clinton", meinte die "Washington Post".
Behalten die Umfragen Recht, dürfte die Vorwahl an diesem Sonntag in Puerto Rico, wo es um 55 Delegierte geht, dann auch zum letzten Triumph Clintons werden. Bei den Abstimmungen am kommenden Dienstag in South Dakota und Montana, die zusammen 31 Delegierte zu vergeben haben, tippen Beobachter auf einen Sieg des schwarzen Senators. Am Donnerstag trennten Obama nach Berechnungen von US-Fernsehsendern weniger als 50 Stimmen von der "magischen Zahl" von 2026 Delegierten, mit der er zumindest nach der bisherigen Arithmetik die Nominierung sicher hätte. Zählen die Delegierten von Florida und Michigan in welchem Umfang auch immer mit, rutscht die Latte höher.
Die Präsidentin des US-Abgeordnetenhauses Nancy Pelosi ist sich indes sicher, dass in der Woche nach den letzten Vorwahlen der Kandidat der Demokraten feststeht, wie sie der Zeitung "San Francisco Chronicle" sagte. Sollte es in der leidigen Frage um die Delegierten aus Florida und Michigan bist Ende nächsten Monats keine Lösung geben, "werde ich einschreiten", kündigte die Politikerin an.
Obama indes scheint sich aus dem Ringen mit seiner Rivalin verabschiedet zu haben. Längst hat er den Schlagabtausch mit McCain aufgenommen, vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik. In Puerto Rico, Montana und South Dakota schaut er pflichtschuldig vorbei, tourt aber zugleich durch Staaten, die bei der Präsidentschaftswahl am 4. November als Wackelkandidaten gelten. Demnächst will der Senator aus Illinois auch in den Irak reisen. "Obama gibt sich schon wie ein Kandidat der Präsidentschaftswahl", stellte die "Washington Post" unumwunden fest.