Drogenbosse und Terroristen liefern sich im Grenzgebiet zu Afghanistan und Pakistan einen Kleinkrieg mit dem Regime in Teheran.
Hamburg. Die radikalislamischen Taliban beherrschen den Süden Afghanistans und immer weitere Teile des Landes. Der Nordwesten Pakistans ist der Kontrolle der Zentralregierung in Islamabad entglitten und gilt als wichtigstes Rückzugsgebiet für Taliban und Al-Qaida-Kämpfer. Jetzt droht auch der Südosten des Iran, der an Afghanistan und Pakistan grenzt, immer tiefer in den Strudel der Gewalt gerissen zu werden, der sich aus den Quellen Terrorismus, religiös motivierter Hass und Drogenhandel speist.
Bei einem Selbstmordanschlag auf die iranischen Revolutionsgarden sind gestern in der Stadt Pischin mehr als 30 Menschen getötet worden, darunter der Vize-Kommandeur der Landstreitkräfte der Revolutionsgarden, General Nur Ali Schuschtari, und der Kommandeur der Revolutionsgarden in Sistan-Balutschistan, General Mohammed Sadeh. Auch Stammesälteste der Provinz wurden getötet. Die Revolutionsgarden hatten ein Treffen mit den Stammesführern geplant, um für Geschlossenheit zwischen Sunniten und Schiiten zu werben.
Zu dem Anschlag bekannte sich die sunnitische Rebellengruppe Dschundallah. Geheimdienstexperten sagen ihr Verbindungen zu al-Qaida und den Taliban nach. Auch die Taliban gehören der Glaubensrichtung der Sunniten an. Die Revolutionsgarden wiederum sind eine der zentralen Stützen der streng schiitisch ausgerichteten Islamischen Republik. Die sogenannten Pasdaran wurden vom Gründer der islamischen Republik, Ayatollah Khomeini, 1979 aus verschiedenen paramilitärischen Einheiten zusammengestellt. Die Truppen sollen die Islamische Republik gegen jegliche Angriffe aus dem In- und Ausland verteidigen. Die Größe der Einheit ist ein Staatsgeheimnis, Schätzungen zufolge sind es 125 000 Mitglieder.
Die Provinz Sistan-Balutschistan an der Grenze zu Pakistan und Afghanistan gilt als die gefährlichste Gegend im ganzen Iran. Seit Jahrhunderten verlaufen durch die Gebirgs- und Wüstenregion wichtige Handels- und Schmuggelrouten. Auch heute noch blüht der Rauschgifthandel, durch den nicht nur Drogenbarone reich werden, sondern auch Taliban, al-Qaida und Dschundallah ihre Kriegskassen füllen.
Im April hatte die Regierung entschieden, die Verantwortung für die Sicherheit in Sistan-Balutschistan komplett den Revolutionsgarden zu übertragen. Kenner der Unruheprovinz sagen, der Krieg zwischen den Garden und den Banditen ziehe nun beide Seiten in einen Teufelskreis der Gewalt: Immer wieder kommt es zu Feuergefechten mit den Sicherheitskräften und zu Entführungen.
Die Dschundallah töten die Pasdaran, die Pasdaran nehmen die Angreifer fest und richten sie hin, worauf die Gotteskrieger mit neuen Anschlägen reagieren. Bereits im Mai bekannten sich die Dschundallah zu einem Selbstmordanschlag auf eine schiitische Moschee in Sahedan, der Hauptstadt von Sistan-Balutschistan, bei dem 25 Menschen in den Tod gerissen wurden. 13 Mitglieder der Organisation wurden im Zusammenhang mit dem Anschlag verurteilt und hingerichtet. Im Februar 2007 kamen bei einem Autobombenanschlag nahe Sahedan elf Mitglieder der Revolutionsgarden ums Leben. Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad drohte nach dem Anschlag gestern mit Vergeltung. "Die Kriminellen werden für dieses unmenschliche Verbrechen ihre Antwort bekommen", sagte er und bezichtigte auch nicht näher genannte ausländische Kräfte, an dem Anschlag beteiligt gewesen zu sein. Üblicherweise meint das Regime in Teheran damit den "großen Satan" USA. Das US-Außenministerium verurteilte umgehend den Terroranschlag. "Wir bedauern den Tod Unschuldiger", hieß es in Washington. Jegliche Berichte einer US-Beteiligung seien falsch.