Vor Abstimmungsbeginn angeblich schon Stimmzettel in den Urnen. Handys blockiert, Beschwerden nicht möglich. Uno-Generalsekretär fordert ein Ende der Gewalt.
Hamburg. Im Iran stehen die Zeichen weiter auf Konfrontation. Im Streit um das Ergebnis der Präsidentenwahl hat jetzt der Wächterrat ein Machtwort gesprochen und eine Annullierung der Wahl kategorisch ausgeschlossen. Es habe keine bedeutenden Unregelmäßigkeiten gegeben, hieß es zur Begründung. Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad sei rechtmäßig gewählt, berichtete das Staatsfernsehen.
Der Sprecher des Wächterrats, Abbas ali Kadchodai, sagte dem Sender Press TV, die meisten Unregelmäßigkeiten habe es bereits vor der Wahl und nicht während des Wahlverlaufs gegeben. Somit gebe es keine Möglichkeit für eine Annullierung der Wahl. Die Opposition um den unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mir Hussein Mussawi, die seit Tagen gegen das Wahlergebnis demonstriert, beklagt dagegen massiven Wahlbetrug zugunsten Ahmadinedschads.
Mussawi legte gestern auf seiner Website den angekündigten Bericht zu mutmaßlichen Betrugsfällen bei der Präsidentenwahl vom 12. Juni vor. Darin bezweifelt Mussawis "Komitee zum Schutz der Wählerstimmen" unter anderem, dass die Wahlurnen zu Wahlbeginn tatsächlich leer waren. Auch hätten die Wahlzettel keine Seriennummer gehabt, was es so im Iran noch nie gegeben habe.
Die Organisatoren der Wahl seien zudem aus den Reihen der Anhänger des umstrittenen Wahlsiegers Mahmud Ahmadinedschad rekrutiert worden. Außerdem seien die Vertreter der Präsidentschaftskandidaten daran gehindert worden, die Vorgänge in den Wahllokalen zu überwachen.
Die Mitstreiter des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten bemängeln auch, dass das Mobiltelefonnetz blockiert gewesen sei, sodass die Mussawi-Mitarbeiter keine SMS über Unregelmäßigkeiten an ihre Wahlkampfzentrale hätten schicken können. Mussawis Komitee forderte eine "Wahrheitskommission", die den Wahlvorgang überprüfen soll.
Gestern bot das Regime wie am Vortag eine große Zahl von Sicherheitskräften auf, um weitere Proteste im Keim zu ersticken. Mussawi hatte bewusst nicht zu Demonstrationen aufgerufen, nachdem die Justiz Härte gegen festgenommene Oppositionelle angekündigt hatte. Ihnen werde eine Lehre erteilt, zitierte die Agentur Irna einen Vertreter der Gerichtsbarkeit. Für morgen hat der ebenfalls unterlegene Präsidentschaftskandidat Mahdi Karubi zu einem Trauertag zu Ehren der getöteten Demonstranten aufgerufen. Nach staatlichen Angaben gab es bisher 17 Tote.
Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon rief die Regierung in Teheran zu einem Gewaltverzicht und zur Einhaltung von Grundrechten auf - "vor allem das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Versammlungsfreiheit und die Informationsfreiheit". Die Verhaftung von Oppositionellen müsse ein Ende haben.
Irans Außenministerium wies dies umgehend als "Einmischung in innere Angelegenheiten" zurück. Ban habe mit seiner Stellungnahme seine Glaubwürdigkeit untergraben, indem er "einigen dominanten Mächten" gefolgt sei. Das Regime bezeichnete zugleich das Video als gefälscht, das den Tod von Neda Agha-Soltan bei einer Protestkundgebung zeigt. Die 19-Jährige ist im Internet inzwischen zur Ikone des Widerstands geworden. Der Verlobte der jungen Frau, Caspian Makan, sagte der BBC, Neda sei von einem Scharfschützen der berüchtigten, Ahmadinedschad nahestehenden Bassidsch-Milizen erschossen worden, während sie mit ihrem Vater die Proteste beobachtete. Neda sei in aller Stille beigesetzt worden. Die Behörden hätten eine Trauerfeier verboten.