Bürger müssen in Referendum über Zukunft ihres suspendierten Präsidenten entscheiden. Umfragen zufolge ist seine Abwahl wahrscheinlich.
Bukarest/Straßburg. Das Amtsenthebungsverfahren gegen Rumäniens Präsidenten Traian Basescu stößt bei den Partnern in Europa und den USA auf Kritik. Darüber will auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso mit Rumäniens Ministerpräsident Victor Ponta an diesem Donnerstag in Brüssel sprechen. Die US-Regierung ließ ausrichten: Sie sehe nach Angaben einer Sprecherin die Gewaltenteilung in dem Nato-Partnerland bedroht und unabhängige Institutionen wie die Gerichte geschwächt.
Das rumänische Parlament hatte am Freitag beschlossen, Basescu für 30 Tage vom Amt zu suspendieren und damit eine Volksabstimmung über dessen politische Zukunft auf den Weg zu bringen. Der Sozialist Ponta und die verbündeten Liberalen (PNL) hatten das Amtsenthebungsverfahren gegen den bürgerlichen Basescu durchgesetzt. Auf Kritik im In- und Ausland stieß vor allem, dass Ponta dabei das Verfassungsgericht ausgeschaltet hat. Ponta sagte, jetzt seien alle bisherigen "Blockaden" für seine Regierung beseitigt.
Das entscheidende Referendum am 29. Juli würde Basescu wahrscheinlich haushoch verlieren, wie eine erste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IMAS ergab, die gestern veröffentlicht wurde. Demzufolge würden 64,3 Prozent der Wähler für Basescus Absetzung stimmen. Kritiker werfen dem 60-jährigen Staatsoberhaupt vor, seine Kompetenzen überschritten zu haben, indem er politische Verbündete vorStrafverfolgung beschützt und die Antikorruptionsbehörde vor allem mit Anhängern besetzt habe. Zudem soll der ehemalige Schiffskapitän rassistische Bemerkungen über Sinti und Roma sowie über behinderte Menschen gemacht haben.
Seit Pontas Amtsantritt Anfang Mai kam es immer wieder zu Reibereien zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Staatsoberhaupt. Während die zwei vorhergehenden Regierungschefs als enge Vertraute Basescus galten,verfolgt der 39-jährige Ponta eine unabhängigere Line gegenüber dem Präsidenten.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) stellte inzwischen den von Rumänien angestrebten Beitritt zum grenzkontrollfreien Schengen-Raum infrage. "Ernste Verstöße gegen Buchstaben und Geist der europäischen Wertegemeinschaft" würden die Frage aufwerfen, ob das Land reif sei zur "vollen Integration in die Europäische Union", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS). Westerwelle forderte zudem einfachere Sanktionsmöglichkeiten der EU für derartige Fälle. Auch EU-Justizkommissarin Viviane Reding verfolgt den Fall "mit zunehmend größerer Sorge" um dieUnabhängigkeit des Justizsystems, wie sie der "FAS" sagte.
Verhaltener reagierten Vertreter der europäischen Sozialisten. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), sagte, noch sehe er keine Verletzung des EU-Vertrags. "Sollte eine Prüfung allerdings Unvereinbarkeiten mit europäischen Rechtsstandards ergeben, werden wir dagegen vorgehen", sagte Schulz. Kein Problem mit Pontas Vorgehen hat der österreichische EU-Parlamentarier Hannes Swoboda (SPÖ). Das Amtsenthebungsverfahren sei in der Verfassung vorgesehen. Im Übrigen habe auch Basescu "über Jahre hindurch" Rechte verletzt, sagte er im Deutschlandradio Kultur.
Ponta und seine Verbündeten werfen Basescu vor, sich illegal Regierungsbefugnisse angemaßt, die Justiz beeinflusst und gegen das für den Staatschef geltende Gebot der Parteilosigkeit verstoßen zu haben. Basescu betonte dagegen, Pontas Vorgehen bedrohe die unabhängige Justiz im Land.
Der Europarat will derweil die Rechtmäßigkeit des Verfahrens prüfen. "Ich bin sehr besorgt über die neuesten Entwicklungen in Rumänien", sagte der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, am Wochenende. "Ich habe eine Meinung von der 'Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht' des Europarats angefordert, bei der Rumänien Mitglied ist", sagte Jagland. Es gehe darum, ob das Vorgehen des Parlaments in Einklang mit den demokratischen Prinzipien und der Rechtsstaatlichkeit sei.