Nordkoreas Propaganda sorgt für anhaltenden Konflikt mit dem Süden. Westliche Staaten boykottieren Gedenkminute
Seoul/Hamburg. Die Sache mit dem Eispanzer auf dem mystischen Vulkan Paektu ist nicht bestätigt. Doch der Himmel soll sich rot gefärbt haben, das Eis zerbrach. So soll die Natur eine Vorahnung auf den Tod von Nordkoreas Diktator Kim Jong-il gegeben haben. Zumindest behauptet das die Propaganda des streng abgeschirmten Landes. Eine Woche nach dem Tod des "Großen Führers" sind Legendenschreiber und Auguren nah beieinander. Der Kim-Kult geht weiter. Was war und was wird, beschäftigt nicht nur die Elite des Landes, das seine Menschen einsperrt, ihnen Informationen und ausreichend Nahrung vorenthält. Die Augen richten sich auf Kim Jong-un, den Nachfolger.
Wie schon ein japanischer Sushi-Koch in einem Buch über seine Arbeit für Kim im Jahr 2003 berichtete, hatte der verstorbene Staatschef den pausbäckigen Sohn zu seinem Nachfolger erkoren. Spötter nennen Kim Jong-un bereits "Moppel-Kim". Kim Jong-un, der zwischen 27 und 29 Jahre alt sein soll, ist der zweite Sohn der dritten Frau des alten Kim. Und er sieht seinem Großvater Kim Il-sung verblüffend ähnlich, der in Nordkorea gottähnlich verehrt wird. Allerdings, das schreibt die "New York Times" unter Berufung auf Experten, gebe es da ja noch den Erstgeborenen der ersten Frau: Kim Jong-nam. Dieser mutmaßlich wichtigste männliche Nachkomme lebt allerdings quasi im Exil in Macau, dem chinesischen Las Vegas. Beobachter rechnen nicht damit, dass er in der Machterbfolge eine Rolle spielt.
Unter den Tausenden, die am Glassarg trauerten oder staatstragend weinten, war er nicht zu finden. Auch ein französischer Arzt hat sich nun in verschiedenen Interviews zu Wort gemeldet. Der Neurochirurg François-Xavier Roux berichtete, dass er im Jahr 2008 Kim Jong-il nach einem Schlaganfall behandelt hat. Offensichtlich hatte sich keiner der nordkoreanischen Ärzte getraut, dem Diktator einen medizinischen Rat zu geben. Zum Beispiel, dass er weniger rauchen und Alkohol trinken solle. Der Koch, der Arzt, mehrere Frauen und Liebschaften - Kims Reich wird puzzleteilartig etwas verständlicher.
Während die Zeitung "Rodong Sinmun" den Nachfolger Kim Jong-un als "vom Himmel geboren" besingt, wirft die Propaganda dem Feind Südkorea vor, nicht angemessen auf den Tod Kims reagiert zu haben. Seoul hatte beschlossen, bei nur zwei Ausnahmen keine Besuche von Beileidsdelegationen in den Norden zuzulassen. Die offizielle Staats-Website des Nordens nannte das eine "inakzeptable, unzivilisierte und unmenschliche Handlung". Der Schritt könne eine bedeutende Auswirkung auf die Beziehungen haben.
Das nordkoreanische Staatsfernsehen zeigte weiter Bilder von trauernden Menschenmassen in der Hauptstadt Pjöngjang. Selbst Kindergartenkinder betrauerten trotz der bitteren Kälte schluchzend den Tod Kim Jong-ils, berichtete die Nachrichtenagentur KCNA. Die Beisetzungsfeierlichkeiten sind für Mitte nächster Woche geplant. Trotz der Spannungen mit Nordkorea hatte Südkoreas Regierung der Bevölkerung im Norden ihre Anteilnahme nach dem Tod des Alleinherrschers ausgesprochen, jedoch dabei nicht direkt das Regime in Pjöngjang angesprochen. Die Regierung in Seoul wird keine eigene Beileidsdelegation entsenden.
In der Generalversammlung der Vereinten Nationen haben westliche Staaten eine Gedenkminute für Kim boykottiert. Sie verließen den Saal, als der Präsident der Versammlung, Nassir Abdulaziz al-Nasser, die Vertreter von 193 Staaten vor Beginn der Routine-Sitzung zum Gedenken aufgerufen hatte. Nordkorea hatte offenbar auch eine Gedenkminute im Uno-Sicherheitsrat beantragt, was nach Angaben westlicher Diplomaten abgelehnt wurde. Der Sicherheitsrat hat Sanktionen gegen Nordkorea beschlossen, weil das Land Atomwaffen entwickeln soll.
Der Umgang mit dem toten Kim scheint so schwierig zu sein wie mit dem Diktator zu Lebzeiten. So entließ ein taiwanischer Fernsehsender den Nachrichtenchef. Er verantwortet die Parodie einer Top-Ansagerin, die ihre nordkoreanische Kollegin imitiert hatte, weil diese beim Verlesen der Nachricht vom Tode Kims geweint hat. Der Sender entschuldigte sich.