Früherer Sowjet-Präsident fordert einen demokratischen Neuanfang in Russland
Berlin. Zwei Wochen vor der Parlamentswahl in Russland hat der frühere sowjetische Präsident Michail Gorbatschow dem amtierenden Ministerpräsidenten Wladimir Putin einen unfairen Wahlkampf vorgeworfen. Zudem warnte Gorbatschow vor möglichen Manipulationen bei der Auszählung der Stimmen. "Eigentlich ist es beschämend", sagte er gestern bei einer Pressekonferenz in Berlin. Das Fehlen von freien Wahlen und das Demokratiedefizit zähle zu den größten Problemen in Russland. "Man muss wieder von null anfangen. Das heißt, man muss mit dem Aufbau der Demokratie wieder neu beginnen."
In Russland wird am 4. Dezember ein neues Parlament und im März 2012 ein neuer Präsident gewählt. Bei der Präsidentenwahl wird Putin antreten, der bereits von 2000 bis 2008 Staatsoberhaupt war und derzeit Ministerpräsident ist.
Gorbatschow machte Putin und seiner Partei Geeintes Russland schwere Vorwürfe. Die regionalen Behörden seien angewiesen worden, eine bestimmte Wahlbeteiligung sicherzustellen, damit die Regierungspartei eine Mehrheit bekomme. Auch Geschäftsleute würden unter Druck gesetzt. Um seine Befürchtung zu untermauern, dass es Wahlmanipulationen geben könnte, zitierte Gorbatschow den früheren Sowjetdiktator Josef Stalin. Dieser habe gesagt, bei einer Wahl komme es nicht auf die Abstimmung, sondern auf die Auszählung an. "Wir haben wirklich quer durch den Garten alles Mögliche an Problemen", sagte Gorbatschow.
Der 80-Jährige ist in Berlin, um den Michail-Gorbatschow-Preis vorzustellen, der am 20. März kommenden Jahres erstmals in der deutschen Hauptstadt verliehen werden soll. Damit sollen Persönlichkeiten ausgezeichnet werden, die die Welt verändert haben. "Wir werden Hollywood nach Berlin bringen", versprach Gorbatschows Enkelin Xenia Gorbatschowa. Die zweistündige Preisverleihung wird im Berlinalepalast am Potsdamer Platz stattfinden. Moderatorin wird die Schauspielerin Milla Jovovich sein, der mit dem Science-Fiction-Streifen "Das fünfte Element" der Durchbruch gelang. Und Larry King, die US-amerikanische Talkshow-Legende, soll den Nachrichtenteil übernehmen und Interviews mit den Preisträgern führen. TV-Unterhaltung über Kontinente hinweg, die in 60 Länder ausgestrahlt werden soll.
Bei aller Show - es geht um Politik, um globale Aufmerksamkeit für Themen, die angesichts von Hungerkatastrophen und Euro-Krise in den Hintergrund zu rücken scheinen. Schon die ersten Preisträger ließen aufhorchen. Für seine "Glasnost" - also Transparenz - wurde in diesem Jahr in London der CNN-Gründer Ted Turner ausgezeichnet, der Tagespolitik live ins Wohnzimmer holte. Der Wissenschaftspreis Uskorenie ging 2011 an den Erfinder einer Solarlampe, die kostenlos an Menschen in Kenia verteilt wurde, an den kenianischen Ingenieur Evans Wadongo. Den Umwälzungspreis Perestroika erhielt der Begründer des World Wide Web, der Brite Tim Berners-Lee.