Die Straßenkämpfe zwischen Christen und Muslimen fordern viele Tote. Das Militär reagiert. Auch am Montag gab es wieder Unruhen.
Kairo. Angesichts der gewalttätigen Ausschreitungen in Ägypten am vergangenen Wochenende hat das Auswärtige Amt eine Reisewarnung ausgegeben. Die ägyptische Regierung gehe von weiteren Protesten in den nächsten Tagen aus, teilte das Ministerium am Montag auf seiner Homepage mit.
Reisenden in Ägypten wird „dringend empfohlen“, bei Menschenansammlungen und Demonstrationen besonders aufmerksam zu sein. Der Hinweis gilt für die großen Städte in Ägypten, ganz besonders aber für das Gebiet um den Tahrir-Platz und das Fernsehgebäude in Kairo.
Reisen nach Ägypten sollten bis auf weiteres auf Kairo, Alexandria, die Urlaubsgebiete am Roten Meer, die Touristenzentren in Oberägypten und auf geführte Touren in der Weißen und Schwarzen Wüste beschränkt werden. Von Einzelreisen an andere Orte wird aufgrund „der nach wie vor unübersichtlichen und unsteten Sicherheitslage“ abgeraten. Die Diplomaten raten im Nord-Sinai und im ägyptisch-israelischen Grenzgebiet zu besonderer Vorsicht. Nächtliche Überlandfahrten sollten generell vermieden werden.
Sicherheitsvorkehrungen deutlich erhöht
Die Behörden in der ägyptsichen Hauptstadt Kairp haben die Sicherheitsvorkehrungen deutlich erhöht. Dennoch kam es auch am Montag zu weiteren Unruhen. Einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur MENA zufolge wurden Dutzende Menschen wegen des Verdachts auf „Anstiftung zu Chaos“ festgenommen. Ob es sich bei den Festgenommenen um Christen oder Muslime handelt, war zunächst nicht bekannt. Die EU verurteilte die Gewalt.
Ministerpräsident Essam Scharaf sprach von einem schweren Rückschlag für den Übergang zu einer Zivilregierung und bezeichnete die Gewalt als Teil einer „schmutzigen Verschwörung“. Bei Straßenkämpfen zwischen koptischen Christen, Muslimen und den Sicherheitskräften wurden am Sonntagabend 24 Menschen getötet und mehr als 270 weitere verletzt. Bei den Todesopfern handelt es sich nach Angaben aus Sicherheitskreisen überwiegend um Christen. Den Unruhen, die bis in die Nacht andauerten, war eine zunächst friedliche Demonstration tausender koptischer Christen gegen einen Angriff auf eine Kirche im Süden des Landes vorausgegangen.
+++ Viele Tote in Kairo: Weitere Gewalt befürchtet +++
Wie das Staatsfernsehen berichtete, wurden aus Angst vor weiteren Unruhen zusätzliche Soldaten vor dem Parlamentsgebäude sowie vor anderen zentralen Einrichtungen stationiert. Am Montag warfen nach Behördenangaben Hunderte koptische Demonstranten vor einem Krankenhaus Steine auf Sicherheitskräfte. Viele der Leichen der bei den gewaltsamen Ausschreitungen getöteten Kopten waren zuvor in diese Klinik gebracht worden.
Nach einer Demonstration im nördlichen Stadtteil Schubra skandierten am Sonntag tausende Christen vor dem Gebäude des staatlichen Fernsehens Parolen gegen den regierenden Militärrat. Daraufhin wurden sie von mit Stöcken und Steinen bewaffneten Muslimen angegriffen. Mehr als 1.000 Polizisten und Soldaten waren mit gepanzerten Fahrzeugen im Einsatz, um das Fernsehgebäude zu schützen. Gegen die Angriffe auf Christen schritten sie nicht ein. Bereitschaftspolizisten setzten schließlich Tränengas ein, auch Schüsse waren zu hören. Daraufhin verlagerten sich die Auseinandersetzungen auf den Tahrir-Platz.
EU fordert Untersuchung der Ausschreitungen
Tausende Menschen lieferten sich dort Auseinandersetzungen, bei denen Steine und Brandbomben geworfen wurden. An einer Stelle raste ein gepanzertes Fahrzeug der Sicherheitskräfte in die Menschenmenge. Nach Mitternacht zogen Menschengruppen durch die Innenstadt und griffen Fahrzeuge an, in denen sie christliche Fahrgäste vermuteten. Christliche Demonstranten erklärten, ihr Protest habe als friedlicher Versuch eines Sitzstreiks begonnen.
Staatliche Medien berichteten, das Kabinett der ägyptischen Interimsregierung sei zu einer Sondersitzung zusammengekommen, um über die Lage zu beraten. Ministerpräsident Scharaf wandte sich in einer im Fernsehen übertragenen Rede an die Nation. Die Gewalt gefährde den Wandel nach dem Sturz des früheren Präsidenten Husni Mubarak. „Diese Ereignisse haben uns mehrere Schritte zurückversetzt“, sagte Scharaf.
Die Kopten, die etwa zehn Prozent der ägyptischen Bevölkerung stellen, werfen dem Militärrat eine zu große Nachsichtigkeit bei Angriffen auf Christen im Land vor.
Die EU rief zum Schutz koptischer Christen auf. Es sei „nicht akzeptabel, dass Menschen körperlich oder sogar mit dem Leben bedroht werden, weil sie ihren christlichen Glauben praktizieren wollen“, mahnte Bundesaußenminister Guido Westerwelle bei einem Treffen der EU-Ressortchefs am Montag in Luxemburg. Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und der britische Außenminister William Hague riefen zum Schutz religiöser Minderheiten auf. Ashton forderte darüber hinaus eine Untersuchung der tödlichen Ausschreitungen.
(abendblatt.de/dapd)