Erstmals seit 1958 dominiert die Linke das Oberhaus des Parlaments. Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung in Gefahr
Paris. Frankreichs Sozialisten sind in Champagnerlaune. Erstmals seit gut einem halben Jahrhundert sicherten sich die Linksparteien eine Mehrheit im Senat. Ein politisches "Erdbeben" spürte die linksliberale Zeitung "Libération", einen "Donnerschlag" der regierungsnahe "Le Figaro". "Der Wandel ist im Gange", meinte der sozialistische Spitzenpolitiker François Hollande, der bereits den "Zerfall des Systems Sarkozy" beschwört. Hollandes Parteifreunde werteten den Linksrutsch als einen historischen und wichtigen symbolischen Erfolg vor der Präsidentenwahl in sieben Monaten.
Der Ausgang der Teilwahl am Sonntag, bei der die Hälfte der Senatoren neu bestimmt wurde, hat das Selbstbewusstsein der Opposition gestärkt. Sozialisten, Grüne und Kommunisten knackten trotz eines für sie nachteiligen indirekten Wahlmodus' eine konservative Bastion, in der vor allem die Interessen der Kommunen, Departements und Regionen vertreten sind. Auf den von Umfragetiefs und Affären geplagten Präsidenten kommt damit ein heißer Herbst zu, trotz Vaterfreuden angesichts der erwarteten Geburt seines Kindes im kommenden Monat.
Vor allem die Haushaltsdebatte für das Budget 2012 dürfte eine völlig neue Qualität bekommen. Mehr als fraglich ist nun das von Sarkozy geplante Festschreiben der Schuldenbremse ("Goldene Haushaltsregel") in der Verfassung. Für Verfassungsänderungen ist eine breite Zustimmung beider Kammern des Parlaments nötig - und die Sozialisten haben bereits ihre Ablehnung erklärt.
"Es gibt an diesem Abend ein Opfer, das ist die Goldene (Haushalts-)Regel", erklärte am Sonntagabend der neu gewählte grüne Senator Jean-Vincent Placé. "Ich denke, Sarkozy weiß heute, dass es das Ende ist", meinte auch Hollande, der als sozialistischer Spitzenkandidat bei der Präsidentschaftswahl 2012 gegen Sarkozy ins Rennen gehen will. Auch Hollande könnte gestärkt aus der Machtverschiebung im Oberhaus des Parlaments hervorgehen. Mit dem sozialistischen Fraktionschef Jean-Pierre Bel, der neuer Senatspräsident werden könnte, hat er einen engen Vertrauten, dessen Unterstützung er gebrauchen kann, weil er als sozialistischer Spitzenkandidat erst noch gewählt werden muss. Dabei steht Hollande in seiner Partei im Wettbewerb mit politischen Schwergewichten wie seiner Parteigenossin Martine Aubry.
Die Sozialisten wollen nun mit dem Rückenwind der gewonnenen Senatswahl die Franzosen auf einen Machtwechsel vorbereiten. Doch die Senatswahl gibt nur bedingt Aufschluss über die Stimmung im Land. Denn gewählt wurde bei der Teilwahl durch Wahlmänner, die sich weitgehend aus Mitgliedern der Gemeinderäte zusammensetzten. Und die waren nicht nur durch Gebietsreformen vergrätzt, sondern sind nach den vergangenen Lokal- und Regionalwahlen überwiegend im politisch linken Lager verankert.