Amnesty International kritisiert Ablauf des umstrittenen Hinrichtungsabends als “groteskes Schauspiel“. Bis zuletzt hatten sich weltweit Menschen für die Begnadigung des mumaßlichen 42-jährigen Polizistenmörders eingesetzt. Doch um kurz nach 23 Uhr wurde das Todesurteil für den Afro-Amerikaner Troy Davis vollstreckt.

Jackson. Der wegen Polizistenmordes zum Tod verurteilte US-Amerikaner Troy Davis ist im Gefängnis von Jackson im US-Bundesstaat Georgia durch die Giftspritze hingerichtet worden. Die ursprünglich für 19 Uhr am Mittwochabend (Ortszeit) geplante Exekution hatte sich wegen unerwartet langer Beratungen des Obersten US-Gerichtshofs auf kurz nach 23 Uhr verzögert.

"Alles was ich fordere ist, dass ihr diesen Fall eingehender untersucht, damit ihr am Ende die Wahrheit erkennt“, sagte Davis unmittelbar vor seiner Hinrichtung. Seine Familie und seine Freunde bat er, "seinen Kampf weiter zu kämpfen“. An die Gefängniswärter gewandt sagte der 42-Jährige, "möge Gott Erbarmen mit euren Seelen haben“. Um 23.08 Uhr (Ortszeit) starb er auf einer Trage liegend durch eine Giftspritze.

Der US-Direktor von Amnesty International, Harry Cox, kritisierte im Rundfunksender "Democracy Now“ das "hässliche“ und "groteske Schauspiel“ des Hinrichtungsabends. Baptistenpastor Raphael Warnock sagte bei einer Protestkundgebung vor dem Hinrichtungsgefängnis, Davis sei durch das Warten regelrecht gefoltert worden.

Der Oberste Gerichtshof beschloss ohne Angabe von Gründen, die Hinrichtung nicht zu stoppen. Der 42 Jahre alte Afro-Amerikaner Davis soll 1989 in Savannah (Georgia) den 27-jährigen weißen Polizeibeamten Mark MacPhail erschossen haben, als dieser einen Obdachlosen vor Schlägern schützen wollte. Nach Angaben von Journalisten, die bei der Hinrichtung Augenzeugen waren, hat Davis seine Unschuld bis zum Schluss beteuert. An die bei der Exekution anwesenden Angehörigen des ermordeten Polizisten gewandt, habe er betont, er habe MacPhail nicht umgebracht.

Generalstaatsanwalt Sam Olens erklärte in einer Mitteilung, mit der Vollstreckung des Urteils seien dem getöteten Polizisten und seiner Familie Gerechtigkeit widerfahren. Die Witwe des 1989 ermordeten Mannes sagte, die Hinrichtung sei kein Anlass zur Freude, aber "eine Zeit der Heilung für alle Familien“. Auch sie werde für die Familie Davis trauern, die nun das Leid und den Schmerz verstehen werde, das sie selbst durchgemacht habe.

Amnesty-Direktor: Noch nie so gravierende Zweifel an der Schuld

Amnesty-Direktor Cox sagte, er habe in seinen 30 Jahren Arbeit gegen die Todesstrafe noch nie so gravierende Zweifel an der Schuld eines Verurteilten gesehen. Sieben der neun Belastungszeugen vom Prozess im Jahr 1991 hätten ihre Aussagen inzwischen zurückgezogen, erklärten Davis' Berufungsanwälte. Andere Zeugen, die nicht vor Gericht gehört wurden, sagten, ein anderer Mann habe die Tat zugegeben. Mehrere Zeugen hätten erklärt, sie seien von der Polizei unter Druck gesetzt worden. Davis' Anwalt Thomas Ruffin sagte nach der Hinrichtung, ein unschuldiger Mann sei getötet worden. Wegen der Zweifel an seiner Schuld sprach sich neben dem früheren US-Präsidenten Jimmy Carter, Papst Benedikt XVI. und dem südafrikanischen Erzbischof Desmond Tutu auch die Europäische Union gegen eine Vollstreckung des Todesurteils aus.

Vertreter der Staatsanwaltschaft von Georgia erklärten dagegen, Davis' Schuld sei bewiesen. Im Fernsehsender CNN kritisierte der Staatsanwalt Spencer Lawton, Gegner der Todesstrafe stützten sich auf Emotionen. Die Widerrufung der Zeugenaussagen habe nur begrenzten Wert. Die Zeugen hätten nur in den Medien und nicht unter Eid widerrufen.

Hinrichtung mehrfach aufgeschoben

Ursprünglich sollte Davis bereits im Juli 2007 hingerichtet werden. Ein Begnadigungsausschuss gewährte jedoch weniger als 24 Stunden vor dem geplanten Vollstreckungstermin einen Aufschub. Ein Jahr später schritt der Oberste Gerichtshof ein und stoppte die Hinrichtung weniger als zwei Stunden, bevor er die Giftspritze erhalten sollte. Ein Berufungsgericht stoppte eine weitere geplante Hinrichtung wenige Monate später.

Im vergangenen Jahr gab der Oberste Gerichtshof der USA Davis die Chance, seine Unschuld zu beweisen. Seine Anwälte konnten die Bundesrichter allerdings nicht davon überzeugen, seinen Fall neu zu verhandeln. Auch das oberste Berufungsgericht und der Oberste Gerichtshof des Staates Georgia hielten das Todesurteil aufrecht.

(epd/dapd/abendblatt.de)