US-Soldaten übernehmen Kontrolle an serbisch-kosovarischer Grenze. Russland drängt auf Debatte im Uno-Sicherheitsrat - Westen blockt ab.
Mitrovica/Belgrad/New York. Als Reaktion auf den Brandanschlag auf einen Grenzposten haben Nato und Serbien die Grenze verstärkt. US-Soldaten aus dem Nato-Kontingent durchsuchten Autos auf Waffen und zeigten Präsenz niedergebrannten Grenzposten Jarinje, um ein Wiederaufflammen der Gewalt zu verhindern. Die Lage war am Donnerstag verhältnismäßig ruhig und übersichtlich. Der Konflikt an der kosovarisch-serbischen Grenze hat unterdessen auch zu Spannungen bei den Vereinten Nationen geführt.
Am Mittwoch hatten serbische Nationalisten Brandsätze auf einen Grenzposten geworfen und auf Nato-Soldaten geschossen. Bei den Unruhen kam ein Polizist ums Leben. Die Lage eskalierte, nachdem der Kosovo ein Importverbot für serbische Güter mit Hilfe von Spezialeinheiten der Polizei durchsetzen wollte. Das Verbot gilt als Reaktion auf die Blockade von Ausfuhren aus dem Kosovo durch Serbien und Bosnien-Herzegowina. Rund 60.000 Serben leben im Norden des Kosovo. Sie erkennen die Unabhängigkeit nicht an und betrachten Belgrad weiterhin als ihre Hauptstadt. Die Nato hat rund 6000 Soldaten im Kosovo, um die Sicherheit in dem Land zu gewährleisten.
Bei den Vereinten Nationen hat der Konflikt zu Spannungen geführt. Westliche Staaten wollen den Streit um zwei Grenzübergänge zwischen Serbien und dem Kosovo aus den Beratungen des Uno-Sicherheitsrates weitgehend heraushalten und auf eine Lageunterrichtung beschränken. Russland drängt hingegen auf eine offene Debatte. Wenn sich die Vetomacht durchsetzt, könnte das mächtigste Uno-Gremium am Freitag, dem letzten Arbeitstag der am Sonntag endenden deutschen Präsidentschaft, in offener Sitzung über den Konflikt debattieren.
„Die Lage muss vor Ort gemeinsam mit Kfor und Eulex deeskaliert werden“, sagte Deutschlands UN-Botschafter Peter Wittig zu den Nato- und EU-Missionen im Kosovo. Die Widersprüche könnten nur zwischen Belgrad und Pristina gelöst werden. „Dieser Dialog – unter Leitung der Europäischen Union – ist das richtige Forum, um auch die aktuellen Fragen zu behandeln.“
Am späten Donnerstagnachmittag (Ortszeit) wird der für alle Blauhelmeinsätze verantwortliche Untergeneralsekretär Alain Le Roy den Rat über die Vorfälle informieren. Serbien versucht aber offenbar über Russland, doch noch eine offene Debatte zu erreichen. Westliche Diplomaten zeigen sich zurückhaltend: „Diplomatische Anstrengungen der beiden Seiten in der Region selbst wären derzeit eindeutig nützlicher“.
Hintergrund: Kosovo-Grenze ist „Sprengstoff für Jahre“
Es sind nur 350 Kilometer, die Kosovo von Serbien trennen. Doch liegt in dieser Grenze auf dem Balkan noch „Sprengstoff für Jahre“, sagen hochrangige Militärs der internationalen Kosovo-Schutztruppe Kfor. Sie verweisen darauf, dass der erste größere Versuch, dass neue Grenzregime zu Serbien durchzusetzen, „nach hinten losgegangen“ sei. Erst Kfor-Soldaten konnten am Donnerstag wieder für Ruhe zu an zwei Übergangsstellen sorgen.
Auslöser der Unruhen waren diesmal die neuen Zollstempel. Mit ihnen wollte der Kosovo seine Eigenständigkeit beweisen, doch Serbien erkennt den seit 2008 unabhängigen Staat nicht an. „Wir können über alles reden, nur über eines nicht“, heißt es in der serbischen Regierung mit Blick auf die diplomatische Anerkennung der früheren Provinz. Erst in der vergangenen Woche hatte ein Streit über die Flaggen auf dem Tisch die bilateralen Gespräche belastet. Und ein Zollstempel des Kosovo an einem bislang serbisch kontrollierten Übergang wäre der erste faktische Schritt zur Anerkennung gewesen.
Organisierte Kriminalität blüht im Kosovo
Bis heute steht der Kosovo unter einer „überwachten Unabhängigkeit“, hat gut 5.000 internationale Soldaten im Land und fast 2.000 zivile Experten der Europäischen Union. Sie sollen im Kosovo beim Rechtsstaatsaufbau helfen. „Nach der Unabhängigkeit hat sich hier die Organisierte Kriminalität richtig entwickelt“, wissen Vertreter der Eulex-Mission zu berichten. Vor allem Kraftstoff werde geschmuggelt, aber auch Schindluder mit sogenannten Reexporten getrieben.
Vor allem an der Grenze zu Serbien ist die Spannung groß. Hier gibt es nach Experteneinschätzung eine unheilige Allianz zwischen „radikalen politischen und kriminellen Strukturen, die beide kein Interesse haben, an der Lage etwas zu ändern“. Hinzu komme eine Einmischung aus Belgrad durch die dortige Kosovo-Behörde.
Ruf nach einer Stimme der EU
Vor diesem Hintergrund wird der Ruf lauter, dass die Europäische Union sich in den Grenzstreit einmischen und als Druckmittel den Wunsch Serbiens nach einem EU-Beitritt nutzen soll. Doch sind die europäischen Interessen gespalten: 22 der 27 EU-Staaten haben mittlerweile die einseitige Unabhängigkeitserklärung anerkannt. Doch Länder wie Spanien mit dem Basken-Problem zu Hause oder Griechenland und Zypern mit ihrem Dauerstreit um die teilweise von der Türkei besetzten Insel stehen weiter außen vor.
Für den Kfor-Kommandeur General Erhard Bühler ist eines entscheidend: „Wir dürfen hier keinen 'frozen conflict' hinterlassen“, mahnt er. Denn die Kfor sei nicht nur für die Sicherheit im Kosovo verantwortlich, sondern sei ein „Stabilitätsanker für den ganzen westlichen Balkan“.
Das rasche Handeln nach den jüngsten Unruhen scheint ihm recht zu geben. Mit allen Mitteln sollte ein erneutes Aufflammen der ethnischen Konflikte wie 2004 verhindert werden, als serbische Klöster brannten und Dutzende von Menschen starben. So wird in Pristina mit einem Verbleib der internationalen Truppen für weitere fünf bis zehn Jahre gerechnet.
Mit Material von dpa/dapd/reuters