In Mailand beginnt der spektakuläre Prozess gegen Silvio Berlusconi. Sex mit Minderjährigen und Amtsmissbrauch sind die Anklagepunkte.
Rom/Mailand. Gespannt blickt die Welt am Mittwoch nach Mailand. Einer der spektakulärsten Prozesse geht dann in Runde eins. Italiens Regierungschef muss sich ab Mittwoch vor Gericht wegen seiner Affäre mit einer minderjährigen Prostituierten und dem Vorwurf des Amtsmissbrauchs verantworten. Der weltweit beachtete „Rubygate“-Prozess gegen Silvio Berlusconi (74) wird im Mailänder Gerichtssaal ohne Fernsehkameras und Fotografen abgehalten.
Berlusconi soll wiederholt Sex mit einem fast 60 Jahre jüngeren marokkanischen Escortgirl gehabt und sie mit einem Telefonanruf vor dem Gefängnis bewahrt haben. Berlusconi werde zum Prozessauftakt nicht vor den drei Richterinnen erscheinen, teilten seine Verteidiger mit. Im Falle einer Verurteilung auf ganzer Linie drohen Berlusconi insgesamt bis zu 15 Jahre Gefängnis.
Das italienische Abgeordnetenhaus erklärte allerdings am Dienstag die Mailänder Justiz in dem Verfahren für nicht zuständig. Mit einer Mehrheit von zwölf Stimmen folgten die Abgeordneten damit in Rom einem Antrag aus Berlusconis Mitte-Rechts-Lager. Nach dem Votum müsste sich nun das Verfassungsgericht mit der Frage befassen, ob der Mailänder Prozess bei der dortigen Justiz in den richtigen Händen ist. Weil es bis zu einer Entscheidung des Verfassungsgerichts Monate dauern dürfte, hat die Abstimmung zunächst keine unmittelbare Auswirkung auf das Verfahren gegen den Regierungschef.
Berlusconi ist derzeit in nicht weniger als vier Justizverfahren verwickelt. Die Verhandlung in Mailand gilt seit längerem als „Prozess des Jahres“: Äußerst pikant sind die Vorwürfe gegen den Medienmogul und die seit Monaten aus Prozessakten veröffentlichten schlüpfrigen Details. Zudem haben Berlusconis Verteidiger 78 schillernde Zeugen vorgeladen von Hollywoodschauspieler George Clooney bis zu Fußballstar Cristiano Ronaldo.
Viele Male soll Berlusconi bei wilden „Bunga-Bunga“-Festen in seiner Villa bei Mailand Sex mit der damals 17-jährigen „Ruby Rubacuori“ (Ruby Herzensdieb) gehabt haben. Mit 16 Jahren habe sie ihn kennengelernt. Der Premier soll zudem das inzwischen volljährige Mädchen auch per Telefon persönlich vor dem Gefängnis bewahrt haben. „Amtsmissbrauch“ nennen das die Staatsanwälte und die linke Opposition. (dpa)
Berlusconis lange Skandalliste
Mafia, Korruption und wilde Partys: Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi (74) ist nicht nur wegen enger Kontakte zu dem minderjährigen marokkanischen Escortgirl „Ruby“ in den vergangenen Jahren in die Schlagzeilen geraten. Ein Korruptionsprozess gegen Berlusconi wurde 2008 vorübergehend ausgesetzt, weil ihm ein neues umstrittenes Gesetz Immunität verlieh. Das Verfassungsgericht hat das Gesetz mittlerweile weitgehend gekippt. Mehrere Verfahren gegen Berlusconi können damit neu aufgerollt werden.
So steht der Medien-Milliardär im Verdacht, den britischen Anwalt David Mills bestochen zu haben. 1998 soll Berlusconi 600.000 US-Dollar (443.000 Euro) bezahlt haben, damit dieser in Prozessen gegen seinen Medienkonzern Falschaussagen macht.
Zudem geht es um den sogenannten Mediaset-Prozess und damit um Steuervergehen beim Verkauf von Filmrechten. Dabei sollen Berlusconi und sein Konzern mindestens 470 Millionen Euro schwarz in Übersee verdient haben. Um Steuerbetrug und Unregelmäßigkeiten bei dem Verkauf von TV-Rechten dreht es sich in einem dritten Verfahren, das im Anfangsstadium ist.
Drei prominente Mitglieder von Berlusconis Regierungspartei „Volk der Freiheit“ (PdL) gerieten im Juli 2010 ins Visier der Staatsanwaltschaft – darunter ein wegen Geschäften mit der Mafia bereits verurteilter Berlusconi-Freund. Die Justiz wirft ihnen unter anderem vor, eine kriminelle Vereinigung mit aufgebaut zu haben, um politische und juristische Entscheidungen des Landes zu beeinflussen. Zuvor hatte ein ehemaliger Mafia-Killer Berlusconi vor Gericht sogar mit einer Serie von Bombenanschlägen in Verbindung gebracht.
Als Kandidatinnen der Regierungspartei für die Europawahl 2009 schlug Berlusconi drei junge Schönheiten vor: eine ehemalige TV-Ansagerin, eine Fernsehschauspielerin und eine Sängerin. „Schamlose Luder im Dienst der Macht“, beschimpfte seine damalige Ehefrau Veronica Lario die Damen. Lario reichte 2009 die Scheidung ein.
Eine angebliche Affäre mit der Schülerin Noemi Letizia hatte zuvor für Aufsehen gesorgt. Nach Berlusconis Besuch auf Noemis Party zum 18. Geburtstag hatte Gattin Lario öffentlich gesagt, Berlusconi treffe sich „mit Minderjährigen“. Gerüchte um eine Liaison mit der Schülerin, die ihn „Papi“ nannte, wies er zurück. (dpa)