Flugverbotszone soll Gaddafis Luftwaffe stoppen. Diktator verschärft Gegenoffensive
Tripolis/Hamburg. Dramatische Eskalation in Libyen: Mit Panzerfeuer, Luftangriffen und einer Propaganda-Offensive versucht Diktator Muammar al-Gaddafi den Aufstand gegen seine Herrschaft zu ersticken. Der Gaddafi-treue Fernsehsender al-Libya meldete gestern, die Armee habe die Städte Ras Lanuf und Misrata im Westen sowie Tobruk im Osten zurückerobert und rücke jetzt auf die zweitgrößte Stadt Bengasi vor. Gezeigt wurden Demonstrationen jubelnder Gaddafi-Anhänger in Tripolis, die die angeblichen Siege mit Gewehrschüssen feierten.
Die Aufständischen und auch ausländische Augenzeugen dementierten die Erfolgsmeldungen umgehend. Die Städte seien noch in der Hand der Gaddafi-Gegner. Allerdings werden die Kämpfe entlang der Mittelmeerküste offenbar immer heftiger. Aus der Stadt Sawija berichtete ein Arzt telefonisch von vielen Opfern. Die Gaddafi-Truppen hätten ein "Massaker" angerichtet.
Der von den Aufständischen gegründete libysche Nationalrat forderte in Bengasi die internationale Gemeinschaft auf, eine Flugverbotszone über Libyen durchzusetzen. Nur so könnten die Bombardements der Gaddafi-treuen Luftwaffe und das Blutvergießen gestoppt werden. Auch britische und amerikanische Politiker hatten dies gefordert. Die US-Regierung äußerte sich dazu gestern Abend zurückhaltend. Der Stabschef von Präsident Barack Obama, Bill Daley, sagte: "Eine Menge Leute reden über eine Flugverbotszone, als wäre es ein Videospiel oder so etwas. Wer darüber auf diese Weise redet, hat keine Ahnung, wovon er spricht." Bereits Verteidigungsminister Robert Gates hatte gewarnt, ein Flugverbot sei nur mit einem Angriff auf die libysche Flugabwehr durchzusetzen. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton entsandte am Wochenende ein Erkundungsteam nach Libyen. Ziel sei es zu prüfen, welche zusätzlichen Hilfen vor Ort benötigt würden. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) verlangte schärfere Sanktionen gegen Gaddafi. Der Uno-Sicherheitsrat müsse sich erneut mit der Lage in Libyen befassen. Der "Welt am Sonntag" sagte Westerwelle, die Geldflüsse müssten unterbunden werden.
Unterdessen wurde bekannt, dass ein britischer Diplomat und mehrere britische Soldaten einer Spezialeinheit von Aufständischen in Libyen festgenommen wurden. Die Männer seien in einer von Rebellen kontrollierten Zone aufgegriffen worden, sagte ein Sprecher der libyschen Opposition. Anfangs habe "Verwirrung" geherrscht, ob die Briten "für uns oder gegen uns" seien. Gestern Abend wurden sie wieder freigelassen. London erklärte, dass sich ein "kleines Diplomaten-Team" in Bengasi befinde.
Auf Kreta wurden drei aus Libyen evakuierte Gastarbeiter tot aufgefunden. Die Männer gehörten zu einer Gruppe von fast 50 Einwanderern aus Bangladesch, die von einem Schiff in Sicherheit gebracht werden sollten. Sie waren offenbar über Bord gesprungen, um einer Abschiebung in ihr Heimatland zu entgehen. Elf weitere werden noch vermisst.
Nach Uno-Angaben sind bisher mehr als 191 000 Menschen vor den Kämpfen aus Libyen geflohen. In Tunesien nahmen drei Schiffe der Deutschen Marine mehr als 400 ägyptische Flüchtlinge aus Libyen an Bord, um sie nach Alexandria zu bringen. In den Tagen zuvor hatte die Bundeswehr zahlreiche Europäer aus Libyen ausgeflogen. An der geheim gehaltenen Aktion waren rund 1000 Soldaten sowie acht Transall-Maschinen und ein Airbus beteiligt.