Die Nato beschloss bei ihrem Gipfel in Lissabon außerdem eine neue Strategie mit dem Ziel einer Welt frei von Atomwaffen.
Lissabon. Die Nato-Staaten haben sich bei ihrem Gipfel in Lissabon auf eine gemeinsame Raketenabwehr in Europa als wichtigem Element ihrer neuen Strategie geeinigt. Das ursprünglich nur von den USA geplante Projekt wird Sache aller 28 Nato-Mitglieder und soll schrittweise im kommenden Jahrzehnt aufgebaut werden. „Mehr als 30 Länder haben Raketentechnik – wir beabsichtigen, ein Raketenabwehrsystem als Schutz gegen solche Bedrohungen zu bauen“, sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Freitag in Lissabon. Auch Russland will das westliche Militärbündnis zur Teilnahme auffordern. Der russische Präsident Dmitri Medwedew reist am Sonnabend zum Nato-Russland-Gipfel in Lissabon an.
Die Raketenabwehr soll Europa gegen Mittel- und Langstreckenraketen aus mehr als 30 Ländern schützen, die über solche Waffen verfügen und Nato-Länder bedrohen könnten – wie etwa den Iran. Das System wird vornehmlich mit Material und auf Kosten der USA aufgebaut. Es soll aus see- und landgestützten Abwehrraketen im Mittelmeer beziehungsweise in Osteuropa sowie aus Radaranlagen bestehen. Die schon geplanten oder bestehenden Abwehrvorrichtungen der Nato-Staaten, die mit etwa 800 Millionen Euro veranlagt werden, sollen damit verknüpft werden. Die Kosten für diese Vernetzung, die weniger als 200 Millionen Euro kosten soll, sollen aus dem Nato-Budget über zehn Jahre bestritten werden. Ob darüber hinaus neue Anschaffungen der europäischen Nato-Mitglieder notwendig sind, ist offen.
Die Nato-Staaten setzten sich erstmals in allgemeiner Form eine atomwaffenfreie Welt zum Ziel und schlossen sich damit der Vision an, die US-Präsident Barack Obama im vergangenen Jahr im April in Prag formuliert hatte. Zugleich wird jedoch festgehalten, dass die Nato so lange auf nukleare Abschreckung setzen wird, so lange es Atomwaffen auf der Welt gibt. „Das ist ein sinnvolles Gleichgewicht“, sagte Rasmussen. Denn trotz des Ziels nuklearer Abrüstung bleibe nach Ansicht aller Nato-Staaten die Verteidigung die Hauptaufgabe der Nato. „In einer nuklearen Welt muss die Nato ein nukleares Bündnis bleiben.“ Bundesaußenminister Guido Westerwelle begrüßte die Einigung. „So viel Abrüstung gab es in der Nato noch nie.“
Mit der neuen Strategie will sich die Nato außerdem fast zehn Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September in den USA gegen neue globale Bedrohungen wie Terrorismus, Piraterie auf wichtigen Seehandelswegen oder Hackerangriffen gegen sensible Datennetze ganzer Mitgliedstaaten wappnen.