Die Opposition in Birma ist im Nachteil. Aber CDU-Asienexperte Jürgen Klimke erhofft mittelfristige Fortschritte
Hamburg/Rangun. Zum ersten Mal seit 20 Jahren durften die Menschen in Birma gestern wieder wählen. Angaben über die Wahlbeteiligung gab es bisher nicht. Die wichtigste Oppositionsfigur, Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, steht weiterhin unter Hausarrest und hatte zum Wahlboykott aufgerufen, ihre Partei NLD wurde daraufhin zwangsaufgelöst. Wann das Ergebnis verkündet wird, steht noch nicht fest. US-Präsident Barack Obama sagte bei seinem Besuch in Indien vor Studenten in Mumbai, die Wahlen in Birma seien "auf Basis aller Berichte, die wir sehen, weder frei noch fair".
Es sind erst die dritten Wahlen in dem Land überhaupt nach 1960 und 1990. Die Stimmabgabe in mehr als 40 000 Wahllokalen verlief offenbar ohne Zwischenfälle. In Rangun zeigte die Polizei mit Kolonnen von Mannschaftswagen deutliche Präsenz. Westliche Botschafter hatten eine Einladung des Regimes zum Besuch ausgewählter Wahllokale abgelehnt.
"Wenn man bedenkt, dass es die ersten Wahlen seit 20 Jahren waren, hätte man mit Spannung auf den Straßen gerechnet", sagte der in Rangun ansässige britische Botschafter Andrew Heyn dem Sender Channel News Asia. Die Atmosphäre sei aber "eher flau, als täten die Leute in einem Prozess mechanisch ihre Pflicht, dessen Ergebnis schon vorher feststeht". Nach Angaben des Exil-Magazins "Irrawaddy" hat die Junta für 90 Tage den Ausnahmezustand verhängt - eventuelle Proteste gegen das Wahlergebnis sollen gar nicht erst stattfinden.
Die Militärjunta hat ein nationales Parlament mit zwei Kammern und 14 Regionalparlamenten versprochen. Sie behält sich aber überall ein Viertel der Sitze vor. Vor 20 Jahren hatte die Oppositionspartei NLD unter Aung San Suu Kyi mehr als 80 Prozent der Mandate gewonnen, woraufhin die Generale die Heldin der Demokratiebewegung unter Hausarrest stellten. Aus diesem Vorfall hat die Junta gelernt: Zwei Drittel der 3071 diesmal aufgestellten Kandidaten aus 37 Parteien gehören dem Militär nahestehenden Parteien an, der USDP und der NUP. Sie sind die Einzigen, die überhaupt genug Kandidaten ins Rennen schicken und in nahezu allen Wahlkreisen antreten konnten.
Die Teilnahme wurde allgemein erschwert, da jeder Kandidat eine hohe Registriergebühr von umgerechnet etwa 500 US-Dollar aufbringen musste, mehr als ein durchschnittliches Jahresgehalt. Die NDF, eine Splitterpartei der früheren NLD von Suu Kyi, konnte nur rund 160 Kandidaten aufstellen.
Verdeckte Beobachter berichteten von Wahlbetrug und Unregelmäßigkeiten. Ein Informant des Magazins "Irrawaddy" berichtete aus der Stadt Bogale, dass dort die Wahlurnen schon am frühen Morgen verdächtig voll waren. Anderswo standen USDP-Vertreter direkt neben den Wahlkabinen und drängten die Wähler, für ihre Partei zu stimmen. Staatsbeamte und Militärangehörige mussten schon vorher per Briefwahl für die USDP stimmen. Das Internet funktionierte kaum.
Der Hamburger CDU-Politiker Jürgen Klimke, für die Unionsfraktion im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages und dort seit Jahren für Asien zuständig, sieht dennoch "die Chance, dass sich die jahrzehntelange Starre des Landes durch die Wahlen mittelfristig lösen könnte". Kein Experte Birmas erwarte in den nächsten Monaten einen unmittelbaren politischen Wandel. Aber aus Gesprächen vor Ort wisse er, "dass viele Bürger die Chance nicht verstreichen lassen wollen, die sich aus dem Übergang der hundertprozentigen Militärdiktatur in eine 'gelenkte' Demokratie ergeben könne", sagte er dem Hamburger Abendblatt. Nach vielen Jahrzehnten werde die politische Macht in Birma "auf verschiedene Schultern verteilt. Es muss zwangsläufig zu Verschiebungen in dem Machtgefüge kommen." So sei es möglich, dass frühere NLP-Oppositionelle und andere in der NUP-Partei "eine neue Kraft bilden, die ein Interesse an asiatischen Entwicklungsstrategien hat".
Klimke hält es für "an der Zeit, dass gerade die westliche Gemeinschaft mit Birma eine pragmatische Außenpolitik einschlägt". Die Sanktionspolitik habe "auf ganzer Linie versagt" und der Junta erst "die Chance gegeben, in Abgrenzung zu der westlichen Bedrohung im eigenen Land einen massiven Reichtum anzuhäufen". Dagegen seien Investitionen in die Zukunft des Landes unterblieben. "Diese Politik hat es erst ermöglicht, dass das ehemalig reichste Land Südostasiens zu einem Armenhaus wurde."