Allianz will an Personal und Hauptquartieren sparen, aber die Mitgliedstaaten gegen Angriffe aus dem Iran schützen
Hamburg/Brüssel. Für die Nato ist es ein heikler Spagat: Die Atlantische Allianz will einerseits streng sparen und sich andererseits aufwendig für zukünftige Bedrohungsszenarien rüsten.
Auf ihrer Tagung in Brüssel beschlossen die Verteidigungsminister des Bündnisses, die Zahl ihrer Hauptquartiere von bislang elf auf sieben zu verringern. Im Zusammenhang damit soll die Zahl der in den Hauptquartieren Beschäftigten von 12 500 auf nur noch 9000 sinken. In Deutschland gibt es de facto drei Hauptquartiere: Das "Headquarters Allied Force Command Heidelberg", das "Headquarters Allied Air Command Ramstein" und die Zentrale der Nato-Überwachungsflugzeuge vom Typ Awacs in Geilenkirchen. Letztere zählt allerdings nicht offiziell als Hauptquartier. Doch welche Standorte von der Schließung betroffen sein werden, steht noch nicht fest.
Auch die Zahl der sogenannten Nato-Agenturen, die bestimmte Programme des Bündnisses betreuen, soll verringert werden - und zwar erheblich: von 14 auf nur noch drei.
Den Sparmaßnahmen der Allianz steht finanziell ein neues Projekt entgegen, das nach zurückhaltenden Einschätzungen mehrere Hundert Millionen Euro kosten wird - ein Raketenabwehrsystem, das alle 28 Mitgliedstaaten vor Angriffen etwa aus dem Iran schützen können soll.
US-Verteidigungsminister Robert Gates und Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bezifferten die Kosten für ein solches Projekt auf 85 bis 150 Millionen Euro innerhalb der nächsten zehn Jahre. Gates sprach von einem "bescheidenen Aufwand". Diplomaten der Allianz sprachen von rund 200 Millionen Euro - allerdings nur für die Einrichtung des Systems, also ohne Raketen und zugehörige Ausrüstung. Insgesamt wird mit einem Milliardenaufwand gerechnet. Der Pentagon-Chef zeigte sich besorgt über die Einsparungen in den europäischen Verteidigungshaushalten - Washington fürchtet, am Ende die Zeche weitgehend allein zahlen zu müssen. "In einer Zeit, wo wir alle mit unseren eigenen Knappheiten zu kämpfen haben, besorgt mich das", sagte Gates mit Blick auf die teuren Einsätze der USA im Irak und in Afghanistan. Zu den möglichen Kosten für Deutschland sagte Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg lediglich: "Wir werden einen Beitrag leisten müssen." Berlin steht dem Plan prinzipiell offen gegenüber, meldet aber Bedingungen an. "Wir halten den Raketenschirm grundsätzlich für eine gute Idee", sagte Guttenberg, doch müsse auch die Abrüstung eine wesentliche Komponente in der Neuausrichtung des Bündnisses sein.
Außenminister Guido Westerwelle pocht auf eine Diskussion in der Nato über die Atomwaffen. Westerwelle möchte erreichen, dass die USA die verbliebenen bis zu 20 taktischen Kernwaffen in Büchel in Rheinland-Pfalz abzieht. Die Pläne für eine Raketenabwehr basieren auf einer amerikanischen Studie, nach der Staaten wie der Iran, Syrien oder Nordkorea die Entwicklung weitreichender Raketen dynamisch vorantreiben. Die Studie argumentiert, es sei heute sehr viel wahrscheinlicher, dass ein Mitgliedsstaat der Nato einem Raketen-Angriff ausgesetzt sei könnte als mit Bodentruppen. Insgesamt streben derzeit 30 Staaten nach derartigen Raketenarsenalen.
Der deutsche Außenminister betonte ebenso wie der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, der frühere deutsche Botschafter in den USA, Wolfgang Ischinger, dass die Nato auch Russland in das Projekt einer gemeinsamen Raketenabwehr einbinden solle.
Probleme gibt es innerhalb der Nato bezüglich der Raketenabwehr zwischen Deutschland, Frankreich und mit der Türkei. Die Bundesregierung stellt sich vor, dass ein solcher Raketenschirm die Atomwaffen in Europa ersetzen könnte; Frankreich aber denkt nicht daran, auf seine "Force de Frappe" zu verzichten, und sieht den Raketenschirm allenfalls als zusätzliche Verteidigungsmaßnahme.
Die Türkei wiederum zögert, sich an einem Raketenprojekt zu beteiligen, weil dies nach Einschätzung Ankaras die türkischen Beziehungen zum Iran und zu Syrien beeinträchtigen könnte.
Das Raketenabwehrsystem soll - ebenso wie eine neue Strategie der Allianz für die Jahre bis 2020 - auf dem Nato-Gipfel am 19. und 20. November in Lissabon beschlossen werden. Nato-Generalsekretär Rasmussen rechnet nach eigenem Bekunden mit einem einstimmigen Beschluss in Lissabon. Wie Gates warnte auch er vor weiteren Budgetkürzungen der Nato-Staaten: "Es gibt einen Punkt, an dem man nicht mehr nur ins Fett, sondern in Muskeln und Knochen schneidet."