Internationale Politiker äußern Lob und Kritik nach Verfassungsreferendum
Berlin/Istanbul. Nach der erfolgreichen Volksabstimmung zur türkischen Verfassungsreform hält Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) einen Beitritt des Landes zur EU ausdrücklich für möglich. Auch die EU begrüßte die Annahme der Verfassungsänderungen, forderte zugleich jedoch weiterreichende Reformen. US-Präsident Barack Obama sagte nach Angaben des Weißen Hauses in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, die Beteiligung an der Abstimmung sei ein Zeichen für die Lebendigkeit der türkischen Demokratie.
Etwa 58 Prozent der Wähler hatten am Sonntag für das Paket aus 26 Änderungen gestimmt, das unter anderem die Rechte der Frauen ausweiten und die Macht des Militärs einschränken soll. Umstritten ist eine in dem Paket enthaltene Justizreform, die Präsident und Parlament mehr Einfluss auf die Auswahl hoher Richter einräumt. Kritiker aus der Opposition werfen Erdogan und seiner islamisch-konservativen AKP vor, sie wollten vor allem die türkische Justiz unter Kontrolle bringen.
Westerwelle grenzte sich von der Union ab, die gegen eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei ist und dafür dem Land eine "privilegierte Partnerschaft" anbieten will. Die Türkei habe ein Recht darauf, dass sie fair, respektvoll und auf gleicher Augenhöhe behandelt werde, so der FDP-Chef. "Wir ermutigen die Kräfte in der Türkei, diesen Reformprozess fortzusetzen. Der Ausgang des Referendums zeigt, dass die Blickrichtung der Türkei in Richtung Europa ist", sagte Westerwelle.
Die Neuerungen seien "ein Schritt in die richtige Richtung", hieß es in einer Erklärung von EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle. Die tatsächliche Bedeutung für die Lebenswirklichkeit in der Türkei werde jedoch von der Umsetzung der Verfassungsänderungen abhängen.
Die bestätigte Verfassungsreform enthält einen weiteren prekären Punkt: Sie macht den Weg für eine Strafverfolgung der Verantwortlichen des Militärputsches vom 12. September 1980 grundsätzlich frei. Prompt stellte eine Gruppe türkischer Politiker und Schriftsteller Strafanzeige gegen die Putschisten. Die frühere Militärführung unter General Kenan Evren müsse wegen eines Staatsstreichs angeklagt werden, forderten die Initiatoren, darunter Vertreter der Kurden-Partei BDP, vor einem Gericht in Istanbul. "Wir sind hier, um Kenan Evren und die anderen anzuzeigen, um des Friedens, der Gerechtigkeit und der Gleichheit willen", zitierten türkische Medien den Sprecher der Gruppe, Yildiz Önen.