Kommissionspräsident will EU-Steuer und Anleihen für Infrastrukturprojekte
Straßburg. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso geht auf Kollisionskurs zu den Regierungen der 27 EU-Staaten. In seiner ersten Rede "zur Lage der Union" kündigte er am Dienstag vor dem Europaparlament in Straßburg eine Reihe politischer Initiativen an, die erhebliche Konflikte mit verschiedenen Regierungen auslösen dürften. Barroso belebte die Diskussion um die Einführung von "EU-Steuern" mit der Mitteilung, er werde ein System vorschlagen, wonach die EU künftig vor allem mit "Eigenmitteln" statt der bisherigen Überweisungen aus den nationalen Haushalten finanziert werde.
Er setzte sich für die von vielen Regierungen abgelehnte Schaffung von EU-Anleihen ein, mit denen Infrastrukturvorhaben finanziert werden sollten. Noch in diesem Herbst werde die Kommission Vorschläge für die von mehreren Regierungen abgelehnte Steuer auf Finanztransaktionen machen. Außerdem bedauerte er, dass die EU keine gemeinsame Verteidigungspolitik habe.
Barrosos Absichten wurden von den großen Parteien im Parlament begrüßt, doch meldeten verschiedene Sprecher Zweifel an der Umsetzbarkeit an. "Sie werden drei Viertel der Ratsmitglieder gegen sich haben, wenn Sie über Eigenmittel reden", sagte der sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende Martin Schulz. Ebenso wie Daniel Cohn-Bendit (Grüne) und Guy Verhofstadt (Liberale) kritisierte auch Schulz, dass Barroso der "sich bildenden Direktorialregierung unter deutsch-französischer Führung" nicht entschlossen genug entgegengetreten sei.