2000 Spezialisten sollen die afghanische Armee ausbilden und Sprengfallen entschärfen. Mehr als 500 ausländische Soldaten sind 2010 gefallen
Hamburg/Washington. Gut 150.000 ausländische Soldaten der Koalitionsstreitmacht kämpfen bereits in Afghanistan gegen die Taliban und andere aufständische Gruppen. Doch nun erwägt die Nato, weitere 2000 Mann an den Hindukusch zu entsenden.
Wie der US-Sender CNN meldete, habe der amerikanische Oberkommandierende in Afghanistan, General David Petraeus , eine entsprechende Anforderung an das Bündnis gestellt. Die meisten der 2000 Soldaten sollen nach CNN-Informationen aus den USA kommen. Mindestens 750 der neuen Soldaten sollten Ausbilder für die afghanische Armee sein, hieß es. Diese afghanische Streitmacht soll in die Lage versetzt werden, in weiten Teilen des Landes allein gegen die Taliban zu kämpfen.
Doch die afghanische Armee gilt als weitgehend inkompetent und äußerst korrupt. Die am Wochenende freigelassene japanische Geisel Kosuke Tsuneoka, die im Norden Afghanistans verschleppt und fünf Monate festgehalten worden war, berichtete, bei ihren Kidnappern habe es sich keineswegs um Taliban gehandelt, wie bislang angenommen, sondern um korrupte afghanische Soldaten. Tsuneoka habe Angst gehabt, getötet zu werden, falls die Entführer herausbekämen, dass er ihre Identität kenne. Japanischen Medienberichten nach wurde zuletzt über ein Lösegeld von mehreren Hunderttausend Dollar verhandelt. Ob und wie viel gezahlt wurde, ist nicht bekannt.
Bei dem Rest der neuen Soldaten soll es sich um Spezialisten für die Abwehr von "IEDs" handeln, den gefürchteten Sprengfallen am Straßenrand, denen die meisten westlichen Soldaten zum Opfer fallen. Ein Nato-Vertreter bestätigte, dass die Anfrage von Petraeus an die 28 Mitgliedstaaten weitergeleitet wurde. Er nannte allerdings die Angabe von CNN, dass die Verstärkungen schon in Kürze geschickt werden würden, "unrealistisch". Es könnte Wochen, wenn nicht gar Monate dauern. Erst im Dezember hatte US-Präsident Barack Obama eine weitere Truppenverstärkung um rund 30.000 Mann angeordnet. Doch auch diese Soldaten können der Gewalt nicht Herr werden. Gestern veröffentlichten unabhängige Beobachter und die britische Agentur Reuters neue Berechnungen zu Opferzahlen. Danach sind in diesem Jahr schon mehr als 500 ausländische Soldaten gefallen; im ganzen Jahr 2009 waren es insgesamt 521 Todesopfer. In der Provinz Kundus, wo die Bundeswehr stationiert ist, hatte am Wochenende ein Selbstmordattentäter sieben Menschen mit in den Tod gerissen.
Der afghanische Präsident Hamid Karsai kündigte an, er werde in der kommenden Woche die Mitglieder eines "Hohen Friedensrates" benennen, der Friedensgespräche mit jenen Aufständischen führen soll, die bereit seien, künftig auf den gewaltsamen Kampf zu verzichten. Diese auf der Friedens-Dschirga im Sommer in Kabul beschlossene Maßnahme sieht unter anderem Geld und Arbeitsplätze für Terror-Aussteiger vor.
Die Führung der Taliban hat Friedensgespräche allerdings abgelehnt. Die Radikalislamisten wollen die Parlamentswahl am 18. September mit Anschlägen und einem Boykottaufruf verhindern. "Diese Wahl ist ein ausländischer Prozess zum Nutzen der weiteren Besetzung Afghanistans", erklärte Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid . Bei der Wahl wollen sich mehr als 2500 Kandidaten, darunter 400 Frauen, um die 249 Parlamentssitze bewerben. Für die Frauen sind 68 Mandate fest reserviert. 7000 Wahllokale sind vorgesehen, fast 1000 von ihnen werden aber auf Empfehlung der unabhängigen Wahlkommission wohl gar nicht erst geöffnet werden - aus Angst vor Anschlägen.