Hamburg/Seoul. Die Drohkulisse steht seit dem frühen Sonntagmorgen. Mit einem gewaltigen Aufgebot an Kriegsgerät haben die USA und Südkorea ein gemeinsames Großmanöver im Japanischen Meer gestartet. Die offizielle Mission der 8000 Soldaten, 200 Flugzeuge und 20 Schiffe: eine Übung zur U-Boot-Abwehr. Der tiefere Sinn allerdings, und das haben auch die USA nicht verschwiegen, ist lautstarkes Säbelrasseln in Richtung Nordkorea.
Vier Tage wird das Manöver an der südkoreanischen Ostküste dauern. Vier Tage, die ein Signal sein sollen an die kommunistische Führung des Nordens, dass Aggressionen in der Region keinesfalls toleriert werden. Erst kurz zuvor hatte Nordkorea mit einem "heiligen Krieg" und zum wiederholten Mal mit einer "nuklearen Abschreckung" gedroht, falls die Übung tatsächlich stattfinden sollte.
Zwar hat die US-Militärführung klargemacht, dass das Manöver keinesfalls provozierend wirken soll, fest steht allerdings trotzdem: Diktator Kim Jong-il fühlt sich durch sein Nachbarland und dessen Verbündete herausgefordert. Alle Manöver der USA und Südkoreas seien "nichts als unverblümte Provokationen, mit denen die Volksrepublik durch Waffengewalt in jeder Hinsicht erdrückt werden soll", ließ Pjöngjang verlauten und vermutet darüber hinaus Übungen für einen Atomkrieg. Bereits im Februar hatte Nordkorea ebenfalls vor Beginn eines jährlichen amerikanisch-südkoreanischen Großmanövers gewarnt, Südkorea mit Atomwaffen angreifen zu können.
Die Spannungen zwischen Nord- und Südkorea haben sich allerdings seit den Ereignissen im März dieses Jahres deutlich zugespitzt, als das südkoreanische Kriegsschiff "Cheonan" unterging und 46 Seeleute starben. Wie eine internationale Untersuchung ergeben hatte, wurde das Schiff von einem nordkoreanischen Torpedo versenkt. Pjöngjang allerdings bestreitet eine Verwicklung in den Vorfall.
Experten warnen angesichts der angespannten Lage davor, dass es nicht bei bloßen Abschreckungsmaßnahmen und kriegerischem Vokabular bleiben könnte: "Man sollte die Drohungen aus Nordkorea nicht auf die leichte Schulter nehmen", sagte Eberhard Sandscheider, Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) dem Abendblatt. "Die nordkoreanische Führung ist schwer einzuschätzen und handelt nicht nach rationalen Maßstäben. Ein Krieg ist deshalb immer möglich."
Auch Beamte der US-Regierung fürchten, dass Nordkorea es dieses Mal nicht bei seiner Kriegsrhetorik belassen wird. Raketentests und Atomversuche könnten als Antwort auf das Manöver folgen, außerdem reichert das Land weiterhin Uran an. "Was wir von Nordkorea brauchen, sind weniger Provokationen und mehr konstruktives Handeln", sagte ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums. Erst am Mittwoch haben die USA neue Sanktionen gegen Nordkorea in Aussicht gestellt, mit denen vor allem der Geldhahn für die Finanzierung seiner Waffenprogramme zugedreht werden soll. "In so einer Situation wäre es besser, wenn eine Seite nachgibt, um die Situation zu entspannen und eine Eskalation der Lage zu vermeiden", so DGAP-Experte Sandschneider. Im machtpolitischen Gefüge allerdings gehe es vor allem den USA darum, als nicht erpressbar zu gelten. "Für Amerika ist es wichtig, in so einer Situation Stärke zu demonstrieren und das Gesicht zu wahren." Für die nächsten Monate sind weitere Manöver der USA geplant, was den Konflikt weiter anheizen dürfte und ein Ende in weite Ferne rücken lässt.
Zudem bereitet der alternde Kim Jong-il derzeit die Machtübergabe an einen seiner Söhne vor, was er mit neuen Waffentests abzusichern versucht. Um sich vor allem gegen das mächtige Militär zu behaupten, müsse Kim Stärke nach innen und außen zeigen, so Beobachter aus USA und Südkorea. Sie fürchten, dass sich Nordkorea zu einer Kurzschlussreaktion hingerissen fühlen könnte und die Gefahr eines neuen Waffengangs birgt. "Deutliches Drohpotenzial besitzt dabei die nordkoreanische Artillerie, die nur 40 Kilometer von der südkoreanischen Hauptstadt Seoul entfernt stationiert ist", betonte Experte Sandschneider. "Sie könnte die Stadt komplett zerstören. Die gesamte Weltwirtschaft wäre davon betroffen."