Belgrad reagiert auf Kosovo-Schlappe mit Schock und Trauer
Belgrad. Serbien hat nach Ansicht der Opposition durch das Kosovo-Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) "einen völligen Kollaps der Staatspolitik" erlebt. "Danach liegen wir mit der ganzen Welt im Konflikt", kritisierte Oppositionsführer Tomislav Nikolic am Freitag in Belgrad. Die höchste Justizinstanz der Vereinten Nationen (Uno) in Den Haag hatte am Vortag die Unabhängigkeitserklärung der früheren serbischen Provinz Kosovo vor zweieinhalb Jahren für vereinbar mit dem Völkerrecht erklärt.
Die Regierung trat zu einer Sondersitzung zusammen. Sie reagierte nicht auf Rücktrittsforderungen und will weitermachen wie bisher. Serbien setze auf die Uno-Vollversammlung im September, teilte auch Staatschef Boris Tadic mit. Dort sollten trotz des IGH-Entscheids neue Verhandlungen über das Kosovo durchgesetzt werden.
"Ein Minister liegt mit Russland, der zweite mit Deutschland und der dritte mit den USA im Streit", kritisierte der Oppositionsführer die Regierungspolitik in Sachen Kosovo. "Haben wir heute irgendwelche Freunde?" fragte er rhetorisch und verlangte, Staatspräsident Boris Tadic müsse ein Krisentreffen aller Spitzenpolitiker einberufen. Dabei sollte die Niederlage Belgrads vor dem IGH analysiert werden.
Der IGH-Spruch "ist noch eine Bestätigung, dass die Politik über Recht und Gerechtigkeit steht", kritisierte die serbische Akademie der Wissenschaften. Eine "politische Entscheidung" sah auch "Blic" als größte Zeitung des Landes. "Es hat sich gezeigt, dass diejenigen recht hatten, die warnten, das Gericht sei keine unabhängige Institution." "Man versucht, uns unser Jerusalem wegzunehmen, alles Heilige und alle Heiligtümer", sagte der serbisch-orthodoxe Patriarch Irinej mit Blick auf die vielen historischen serbischen Klöster und Schlachtfelder im Kosovo.