Thomas Lubanga hatte im Kongo Kindersoldaten rekrutiert. Politiker und Menschenrechtler begrüßen Schuldspruch. Gericht äußert auch Kritik an Ermittlungsmethoden der Anklage.
Den Haag. In seinem ersten Urteil hat der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) am Mittwoch den ehemaligen kongolesischen Rebellenführer Thomas Lubanga wegen der gewaltsamen Rekrutierung von Kindersoldaten schuldig gesprochen. Ihm droht die Höchststrafe - lebenslange Haft. Politiker und Menschenrechtsaktivisten begrüßten das erste Urteil des Gerichts seit seiner Gründung vor zehn Jahren. «Die Anklage hat zweifelsfrei festgestellt, dass Thomas Lubanga sich der Zwangsverpflichtung und Anwerbung von Kindern unter 15 Jahren schuldig gemacht und sie bei Kampfhandlungen eingesetzt hat», sagte der Vorsitzende Richter Adrian Fulford. Lubanga zeigte keine Regung, als Fulford das Urteil verlas. Für die Verkündung des Strafmaßes wird eine neuer Anhörungstermin festgelegt.
«Die Regierung der Demokratischen Republik Kongo versteht das Urteil als Fortschritt für das internationale Strafrecht», sagte der kongolesische Justizminister Luzolo Bambi. Die UN-Sondergesandte für Kinder in bewaffneten Konflikten, Radhika Coomaraswamy, erklärte: «In Zeiten globaler Medien wird das heutige Urteil Kriegsherren und Kommandeure auf der ganzen Welt erreichen und als Abschreckung dienen.»
Das dreiköpfige Richtergremium in Den Haag verurteilte Lubanga einstimmig, kritisierte aber auch die Anklage scharf, die Mittelsleute eingesetzt hatte, um mit Zeugen im Kongo zu sprechen. Drei dieser Personen hätten Zeugen zu «falschen Aussagen überredet, angestiftet oder sie dabei unterstützt», sagte Fulford. Allerdings hätten andere Zeugenaussagen und Videos, auf denen Lubanga zu Kindersoldaten spricht, genügend Beweise gegen ihn geliefert. «Die Anklagebehörde muss die Ermittlungsstrategie im Fall Lubanga überprüfen», sagte Michael Bochenek von Amnesty International. «Daraus müssen Lehren für künftige Fälle gezogen werden.»
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) lobte das Urteil. «Der Schuldspruch gegen Lubanga ist eine Warnung für Kommandeure im Kongo und anderswo: Kinder als Kriegswaffen zu benutzen, ist ein schweres Verbrechen und kann sie auf die Anklagebank bringen», sagte Geraldine Mattioli-Zeltner von HRW. Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger begrüßten die Entscheidung der Haager Richter. «Die internationale Gemeinschaft lässt damit endlich eine Kultur der Straflosigkeit für schwere Kriegsverbrechen hinter sich», sagte Westerwelle am Rande seines Besuches in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku.
Der Schuldspruch markiere einen «historischen Moment für das Völkerstrafrecht», sagte Leutheusser-Schnarrenberger der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Donnerstagausgabe). Die Ministerin kündigte zudem an, das deutsche Völkerstrafgesetzbuch zehn Jahre nach seinem Inkrafttreten fortzuentwickeln. «Der Tatbestand des Aggressionsverbrechens soll in nationales Recht umgesetzt werden. Wir sind auf einem guten Weg.»Die Schauspielerin und Aktivistin Angelina Jolie beobachtete die Urteilsverlesung von der Zuschauergalerie aus und erklärte, der Schuldspruch sei ein Sieg für die ehemaligen Kindersoldaten. «Das ist ihr Tag – an dem diese Kinder spüren werden, dass es keine Straflosigkeit für das gibt, was ihnen passiert ist, für das, was sie erleiden mussten», sagte Jolie.
Im Prozess wurde Lubanga, dem ehemaligen Führer der Union des Patriotes Congolais (UPC) und ihres bewaffneten Arms, vorgeworfen, im blutigen Konflikt in der ostkongolesischen Provinz Ituri Kindersoldaten rekrutiert und eingesetzt zu haben. Lubanga wies die Vorwürfe zurück. Menschenrechtsaktivisten äußerten die Hoffnung, dass das erste internationale Urteil im Zusammenhang mit dem Einsatz von Kindersoldaten eine deutliche Warnung an Rebellen und Streitkräfte in der ganzen Welt sende. Nach Schätzungen der UN kämpfen in Konflikten in Afrika, Asien und Lateinamerika derzeit Zehntausende Kindersoldaten.
Das Gerichtsverfahren gegen Lubanga begann im Januar 2009. In den zehn Jahren seit seiner Gründung hat der IStGH sieben Verfahren eröffnet. Derzeit befinden sich fünf Verdächtige in Gewahrsam, darunter der frühere Präsident der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, und der ehemalige Vizepräsident des Kongos, Jean-Pierre Bemba. (dapd)