Während die Vereinten Nationen und Europa den politischen Druck auf das Assad-Regime weiter erhöhen, nimmt die Gewalt in Syrien zu.
Damaskus/New York/Wien. Mit großer Mehrheit hat die UN-Vollversammlung die Gewalt des syrischen Regimes verurteilt. 137 der vertretenen 166 Staaten stimmten am Donnerstag für eine Resolution, die ein Ende der Gewalt und demokratische Reformen fordert. Nur 12 Staaten, darunter Russland, China, Nordkorea und Venezuela, waren dagegen. 17 Staaten hatten sich enthalten.
Die Verurteilung wird keine unmittelbaren Folgen haben, weil das Papier keinerlei Sanktionen enthält. Die dürfte die Vollversammlung auch gar nicht verhängen. Das kann nur der Sicherheitsrat, in dem Gremium war eine ganz ähnliche Resolution zwölf Tage zuvor aber gescheitert. Trotz Zustimmung der anderen 13 Ratsmitglieder hatten Russen und Chinesen die Resolution mit ihrem Veto blockiert.
Beide Resolutionen – die gescheiterte des Sicherheitsrates und die jetzt verabschiedete der Vollversammlung – basieren auf einem Aktionsplan der Arabischen Liga. Das Konzept fordert ein sofortiges Ende der Gewalt und enthält einen ambitionierten Fahrplan zur Demokratisierung Syriens. Damit wächst der politische Druck auf Syrien – und auch auf seine Verbündeten – weiter.
Russland hatte bis zur letzten Minute versucht, den Entwurf zu verwässern. Hinter den Kulissen waren russische Diplomaten nach westlichen Angaben dabei, andere Staaten zu überzeugen, dagegen zu stimmen oder sich zu enthalten. Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin nannte den Entwurf unausgewogen. Die Resolution verurteile zu einseitig nur die Gewalt des Regimes, deshalb könne Russland nicht zustimmen. Ähnlich hatte sich China geäußert.
In der Vollversammlung gibt es kein Veto. Jedes Land hat unabhängig von Größe, Bevölkerung oder politischer und militärischer Macht nur eine Stimme. Eine ähnliche Resolution war bereits Mitte Dezember verabschiedet worden. Damals hatten 133 Länder für eine Verurteilung gestimmt, 43 enthielten sich und nur elf waren dagegen. Damaskus hatte die Resolution ignoriert.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßte die Resolution. „Sie ist ein klares Zeichen der Solidarität mit dem syrischen Volk und der Verurteilung der Gewalt des Assad-Regimes. Dafür hat sich Deutschland von Anfang an mit großem Nachdruck eingesetzt“, sagte er auf einer Südamerikareise in Lima. Dass so viele Staaten aus der Region die Resolution unterstützten, sei ein klares Zeichen auch an diejenigen, die bisher abseits gestanden hätten. Human Rights Watch sprach von einem „kräftigen Dämpfer“ für Russland und China.
Um der Protestbewegung die Spitze zu nehmen, hatte Assad am Mittwoch ein Referendum über eine Verfassungsreform für den 26. Februar angekündigt. Unter anderem solle die Monopolstellung seiner Baath-Partei fallen. Die US-Regierung nannte die Ankündigung „lächerlich“: Sie verhöhne die syrische Revolution, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney. Die Tage Assads seien gezählt. „Es geht nicht ums Ob, es geht ums Wann.“
Hassan Abdul Asim, einer der wenigen bekannten Oppositionellen, die sich noch in Syrien aufhalten und nicht eingesperrt wurden, sagte der dpa in Damaskus: „Wir werden nicht an diesem Referendum teilnehmen und auch nicht an den nächsten Wahlen.“ Vorrang habe die Beendigung der Gewalt.
Der oppositionelle Syrische Nationalrat (SNC) zeigte sich bereit zu einem Dialog mit Vertretern der syrischen Regierungspartei Baath. Voraussetzung sei jedoch der Rücktritt Assads, sagte der führende Vertreter Abdelbaset Seda der Nachrichtenagentur dpa in Doha. Auch mit einigen Vertretern der Regierung, die nicht zum Machtzirkel des Assad-Clans gehörten, sei ein Dialog möglich.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ließ vor einem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow in Wien durchblicken, dass er der syrischen Ankündigung eines Verfassungsreferendums geringe Bedeutung beimesse. Die Regierung müsse „zuerst die Gewalt beenden“.
Das EU-Parlament verlangte erneut den Rücktritt Assads und von Russland einen sofortigen Stopp seiner Waffenlieferungen nach Syrien.
Vor der neuerlichen Abstimmung der UN-Vollversammlung ist das Regime weiter mit aller Härte gegen die Aufständischen vorgegangen. Wieder starben Dutzende Menschen im Artilleriefeuer der Regimetruppen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warf der Regierung von Machthaber Baschar al-Assad „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ bei der Niederschlagung der Protestbewegung vor. „Krankenhäuser werden als Folter-Zentren benutzt“, erklärte Ban am Donnerstag in Wien.
Am Abend verurteilte die UN-Vollversammlung in New York dann das Vorgehen des syrischen Regimes per Resolution. Die Vollversammlung kann im Gegensatz zum Sicherheitsrat keine Sanktionen verhängen. Ihre Resolutionen haben lediglich den Charakter von Empfehlungen.
Zuvor hatte das EU-Parlament den Rücktritt Assads verlangt und von Russland einen sofortigen Stopp seiner Waffenlieferungen nach Syrien gefordert. Ein völkerrechtlich bindendes Referendum des Weltsicherheitsrats scheiterte vor knapp zwei Wochen erneut am Veto Russlands und Chinas.
Ban misst der syrischen Ankündigung eines Verfassungsreferendums geringe Bedeutung bei. Die Regierung von Assad müsse „zuerst die Gewalt beenden“, sagte er. Das Referendum, das Assad für den 26. Februar angekündigt hat, könne ein Element im Rahmen einer politischen Lösung sein. „Aber jetzt ist es wichtig, dass Syrien aufhört, die eigenen Leute zu töten.“
Während die Vereinten Nationen und Europa den politischen Druck auf das Regime weiter erhöhten, ging das Blutvergießen in Syrien unvermindert weiter. Mindestens 44 Menschen wurden am Donnerstag nach Angaben von Aktivisten getötet, davon 28 Deserteure. Die meisten starben bei einem Artillerie-Beschuss nahe der Oppositionshochburg Hama.
Kurz vor der Abstimmung (21.00 Uhr MEZ) versuchte Russland, den vorliegenden Resolutionsentwurf noch abzuschwächen. Nach Angaben von Diplomaten legte Moskau mehrere Änderungsvorschläge vor, die den von Saudi-Arabien eingebrachten Text entschärfen sollten. Beobachter sahen darin jedoch taktische Manöver.
+++Kanzlerin Merkel für neue Sanktionen gegen Assad-Regime+++
Saudi-Arabiens Entwurf orientierte sich an einem Aktionsplan der Arabischen Liga, der ein Ende der Gewalt und demokratische Reformen in Syrien fordert. Bundesaußenminister Guido Westerwelle betonte während seiner Südamerika-Reise, Deutschland unterstütze den von arabischen Staaten eingebrachten Entwurf. „Ich hoffe, dass eine große und auch von den Staaten der Region breit mitgetragene Mehrheit für die Resolution ein klares Signal der Staatengemeinschaft für die Menschen in Syrien und gegen die Gewalt des Assad-Regimes sendet.“
Um der Protestbewegung die Spitze zu nehmen, hatte Assad am Mittwoch ein Referendum über eine Verfassungsreform für den 26. Februar angekündigt. Unter anderem solle die Monopolstellung seiner Baath-Partei fallen. Die US-Regierung nannte die Ankündigung „lächerlich“: Sie verhöhne die syrische Revolution, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney. Die Tage Assads seien gezählt. „Es geht nicht ums Ob, es geht ums Wann.“
Hassan Abdul Asim, einer der wenigen bekannten Oppositionellen, die sich noch in Syrien aufhalten und nicht eingesperrt wurden, sagte der Nachrichtenagentur dpa in Damaskus: „Wir werden nicht an diesem Referendum teilnehmen und auch nicht an den nächsten Wahlen.“ Vorrang habe die Beendigung der Gewalt.
Der oppositionelle Syrische Nationalrat (SNC) zeigte sich bereit zu einem Dialog mit Vertretern der syrischen Regierungspartei Baath. Voraussetzung sei jedoch der Rücktritt Assads, sagte der führende Vertreter Abdelbaset Seda der dpa in Doha. Auch mit einigen Vertretern der Regierung, die nicht zum Machtzirkel des Assad-Clans gehörten, sei ein Dialog möglich.
+++Uno spricht von einem Massaker in Syrien+++
Der SNC erwarte seine Anerkennung durch zahlreiche Staaten als legitime Vertretung des syrischen Volkes. Dies dürfte nach einem Treffen der „Gruppe der Freunde Syriens“ geschehen, das für Freitag kommender Woche geplant ist. Die Gruppe umfasst vor allem arabische und westliche Staaten. Auch Deutschland wird vertreten sein.
In den Foren des sogenannten Revolutionskomitees tauchte am Donnerstag eine Erklärung auf, in der sich die Assad-Gegner von einer Solidaritätsadresse des Al-Kaida-Anführers Eiman al-Sawahiri distanzierten. Al-Sawahiri hatte die Aufständischen aufgerufen, sich in ihrem Kampf gegen das Regime nicht auf die Zusammenarbeit mit westlichen Staaten zu verlassen.
(dpa/abendblatt.de)