China untersagt Kanzlerin Merkel ein Treffen mit Bürgerrechtsanwalt Shaoping und der oppositionellen Zeitung “Nanfang Zhoumo“ in Kanton.
Guangzhou. China hofiert Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch im Reich der Mitte – und demonstriert gleichzeitig in Menschenrechtsfragen unnachgiebige Härte. Die CDU-Vorsitzende kann in Sachen Euro den Erfolg verbuchen, dass die Chinesen Bereitschaft zeigen, Europa zu helfen und ein Engagement bei den Rettungsschirmen EFSF und ESM nicht mehr gänzlich ausschließen. Doch beim Thema Menschenrechte bewegt sich die Führung nicht, sondern agiert repressiv. Der Menschenrechtsanwalt Mo Shaoping wurde von chinesischen Sicherheitskräften gehindert, an einem Empfang mit der deutschen Kanzlerin teilzunehmen.
Shaoping war von der deutschen Botschaft anlässlich des Merkel-Besuchs zu einem Empfang des deutschen Botschafters eingeladen worden. Der Anwalt sagte am Freitag in Peking, die chinesische Sicherheitspolizei sei in sein Büro gekommen und habe ihm mitgeteilt, dass er an dem Treffen am Donnerstagabend aus Gründen der „sozialen Stabilität“ im Vorfeld des Parteitags der Kommunistischen Partei im Herbst nicht teilnehmen könne. Von der Botschaft hatte es am Donnerstagabend geheißen, Shaoping sei nicht erschienen, über die Gründe wisse man nichts Näheres. Shaoping hatte unter anderem den Regimekritiker und Nobelpreisträger Liu Xiaobo verteidigt.
Unklar blieb am Freitag auch, ob es zu einem Treffen der Kanzlerin mit Journalisten der Nanfang-Gruppe am Samstag kommt. Die Zeitungsgruppe gilt als gemäßigt regimekritisch. Merkel hatte der Gruppe vor ihrem Besuch ein Interview gegeben. Gesichert ist dagegen ein Treffen mit dem Erzbischof von Guangzhou, Gan Junqiu.
Chinas Führung demonstriert in Sachen Menschenrechte auch während des Besuchs der Kanzlerin ihre Macht. Seit den Aufrufen zu den „Jasmin“- Protesten vor einem Jahr wurde die Verfolgung von Bürgerrechtlern verschärft, das Arbeiten von Journalisten stark eingeschränkt. Eine Serie von Selbstverbrennungen im Südwesten des Landes aus Widerstand gegen das Regime sorgt für Unruhe in Peking. Bei Protesten erschossen Sicherheitskräfte nach Angaben von Exil-Tibetern mindestens sieben Menschen. Vor dem Parteitag der Kommunistischen Partei im Herbst und dem Volkskongress im Frühjahr 2013, bei dem möglicherweise der Führungswechsel vollzogen wird, ist man nervös.
Für die deutsche Delegation eine schwierige Situation. Man ist ein gern gesehener Gast. Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao hat bislang zweimal einen ausländischen Staatsgast auf Reisen durch China begleitet: Die deutsche Kanzlerin Merkel im Jahr 2010 und 2012. Wen wird zur Eröffnung der Hannovermesse kommen und drängt Merkel, doch möglichst noch in diesem Jahr wieder nach China zu reisen. Die Politiker haben einen Draht zueinander gefunden.
Staatspräsident Hu Jintao, ausgestattet mit einem überaus strengen Protokoll bei Besuchen, verlängerte am Freitag sein Gespräch mit Merkel um zwanzig Minuten – eine Seltenheit, hieß es von chinesischer Seite.
Die Chinesen sehen in Merkel die starke und verlässliche Stimme Europas, die sich auch erlauben darf, für eine Öffnung des chinesischen Markts und „faire Wirtschaftsbeziehungen“ einzutreten. Man schätzt die unprätentiöse Frau aus Deutschland. Merkel hat sich den Respekt von Chinas Führung besonders durch ihr bestimmtes Auftreten bei den G-20-Treffen und zuletzt in der Euro-Krise erworben. Doch bei den Menschenrechtsfragen wirken weder Merkels Lächeln noch ihr selbstbewusster Auftritt. Da führt China dem Staatsgast aus Deutschland ganz deutlich die Grenzen der 40-jährigen deutsch-chinesischen Beziehungen vor Augen.