EU-Gipfel einigt sich auf enge wirtschaftliche Koordinierung. Geheime Banken-Stresstests werden bis Ende Juli veröffentlicht
Brüssel. Die Europäische Union hat mit einem Bündel von Beschlüssen ihre neue Wirtschaftsstrategie auf den Weg gebracht. So sollen bis Ende Juli die bislang geheimen Banken-Stresstests veröffentlicht werden. Das sagte der ständige EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy in Brüssel nach Abschluss des Treffens der 27 EU-Regierungschefs in Brüssel. So soll an den Märkten mehr Transparenz und neues Vertrauen geschaffen werden. Unklar ist noch, ob die Banken-Stresstests nur die Kapitalausstattung und Stressfestigkeit von 30 großen europäischen Banken und nicht auch Sparkassen, die in Ländern wie Spanien die größten Finanzierungsprobleme haben, erfassen sollen. Details sollen die Finanzminister bei ihrem nächsten Treffen Mitte Juli klären.
25 europäische Großbanken sind sogenannten Stresstests bereits unterzogen worden. Dabei wird berechnet, ob eine Bank beispielsweise die Pleite einer Großbank wie Lehman Brothers überleben kann. Der Untergang von Lehman Brothers im September 2008 hatte die schlimmste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg mit ausgelöst.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte die Vereinbarung zu den Banken-Stresstests. "Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Schritt ist, um gegenüber den Märkten deutlich zu machen, dass wir hier auf volle Transparenz gehen", sagte Merkel nach Abschluss des Gipfels. "Ich habe mich gefreut, dass auch alle Mitgliedstaaten daran teilnehmen werden." Dem Beschluss zufolge soll bis Ende Juli offengelegt werden, wie krisensicher die europäischen Großbanken sind.
Die Kehrtwende der Bundesregierung kam überraschend. Lange Zeit hatte sie Widerstand gegen gläserne Banken geleistet. Aber der Druck der Märkte war zu groß. Bisher können in Deutschland nach dem Kreditwesengesetz Details über den Zustand einzelner Institute nur nach deren Zustimmung veröffentlicht werden.
Vor dem Gipfel hatte sich vor allem die spanische Regierung für eine Veröffentlichung der Stresstests starkgemacht. Madrid will damit dem Eindruck entgegenwirken, der Finanzsektor sei in einer akuten Notlage. Spaniens Bankenaufsicht entschied kurz vor dem Treffen der Regierungschefs, die Testergebnisse je Bank bald zu veröffentlichen. Nach Angaben aus Madrid hat die spanische Großbank Santander bei einem Stresstest europäischer Geldinstitute am besten abgeschnitten.
Frankreich und Schweden unterstützen die Veröffentlichung. Auch EU-Kommissionschef José Manuel Barroso forderte beim EU-Gipfel, die Ergebnisse von Stresstests für jede Bank zu veröffentlichen. "Dies würde helfen, unbegründetes Misstrauen zu zerstreuen und dort einzugreifen, wo es nötig ist", sagte ein Sprecher der Kommission. In den USA werden die Resultate von Prüfungen zu den 19 größten Banken des Landes bereits seit 2009 bekannt gegeben.
Die EU will sich zudem auf internationaler Ebene für eine Kombination aus Abgaben und Steuern für Banken einsetzen, um die Branche an den Krisenkosten zu beteiligen. Sollte eine Einigung darüber auf der Ebene der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) nicht gelingen, soll die Abgabe auf europäischer Ebene eingeführt werden.
Harte Auseinandersetzungen gab es beim EU-Gipfel über die Forderung nach einer globalen Finanztransaktionssteuer. Vor allem Großbritannien und Tschechien sträubten sich. "Es gibt keinen umfassenden europäischen Konsens", sagte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Die Regierungschefs verständigten sich schließlich aber darauf, beim G20-Treffen in Toronto Ende Juni eine globale Abgabe für Finanztransaktionen zu fordern. Anders als bei der Bankenabgabe konnten sich die Gipfelteilnehmer hier aber nicht auf einen europäischen Alleingang einigen, falls sie mit ihrer Forderung in Toronto scheitern sollten.
Einig waren sich die Regierungschefs, die Strafen für Defizitsünder zu verschärfen und die "präventive Komponente des Stabilitätspaktes" zu stärken. Damit ist vor allem eine frühere und bessere Haushaltsüberwachung gemeint. Außerdem soll die Wettbewerbsfähigkeit in der EU mithilfe eines "Anzeigers" besser überwacht werden.
Der Chef der Euro-Gruppe, Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker, übte Kritik an Merkels Vorschlag für eine Wirtschaftsregierung aus 27 EU-Ländern. "Die 16 Euro-Länder müssen weiter gehen können als die 27", sagte er.