Hamburg/Nikosia. An einem 72-jährigen Arzt und Vater von vier Kindern könnte die Aussöhnung auf der geteilten Mittelmeerinsel Zypern scheitern. Das sind jedenfalls die Befürchtungen internationaler Vermittler in dem seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt, von türkischen Experten, vor allem aber der griechischen Zyprer.
Denn der Mediziner Dervis Eroglu gilt als glühender Nationalist und Verfechter eines separaten türkischen Staates auf der Insel. Und Eroglu, bislang Ministerpräsident, hat am Sonntag die Präsidentenwahl im türkischen Nordteil gegen seinen gemäßigten Rivalen und Amtsinhaber Mehmet Ali Talat gewonnen. Talat hatte sich seit September 2008 um eine Einigung mit dem Präsidenten der Republik Zypern, Dimitris Christofias, bemüht. Im Prinzip waren sich beide bereits einig geworden - griechische und türkische Zyprer sollten in einer zweigeteilten Bundesrepublik leben.
Zypern ist seit 1974 geteilt, als die türkische Armee intervenierte. Die Türken hatten damals einen putschartigen Anschluss der Insel an Griechenland verhindern wollen. Im Norden etablierten sie eine separate Republik, die jedoch nur von Ankara anerkannt wird. Seit 2004 ist der griechische Teil Zyperns Mitglied der Europäischen Union, der türkische aber nicht. Die Zypern-Griechen blockieren die weitere Annäherung der Türkei an die EU.
Die politische Lage nach der Präsidentenwahl ist verfahren und paradox: Denn die Türkei hatte nicht auf den Nationalisten Eroglu gesetzt, der auch noch von den rechtsradikalen "Grauen Wölfen" unterstützt wird, sondern auf Mehmet Ali Talat. Der Sieg Eroglus kommt Ankara in der sensiblen und schwierigen Verhandlungslage mit der EU höchst ungelegen. Möglicherweise wird die Türkei nun auf eine internationale Zypern-Konferenz dringen. Die Kernfrage ist nach wie vor, wer die Sicherheit der beiden Volksgruppen auf der Insel garantieren soll. An dieser Frage - und dem hartleibigen Widerstand der Zypern-Griechen - war bereits 2004 ein Uno-Plan zur Wiedervereinigung der Insel gescheitert.
Der Sieger Eroglu, der mit 50,38 Prozent der Stimmen klar gegen seinen Kontrahenten gewann, bestritt indessen, die Verhandlungen abbrechen zu wollen. Aber das von ihm zugleich formulierte Verhandlungsziel - zwei souveräne Staaten - lässt eine Einigung wenig wahrscheinlich erscheinen. Eine Verschärfung des Zypern-Konflikts könnte jedoch die Beziehungen zwischen Ankara und der EU weiter komplizieren, ferner das Verhältnis der Nato-Partner Türkei und Griechenland belasten und damit die regionale Stabilität im Mittelmeerraum gefährden.