Der Zweite Weltkrieg hat das gesamte Leben und Wirken des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski geprägt. Dass er nun auf dem Weg zur Gedenkveranstaltung an das stalinistische Massaker an polnischen Offizieren im Wald von Katyn bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, ist wie eine bittere Ironie des Schicksals. Drei Tage zuvor hatten die Regierungschefs von Russland und Polen, Wladimir Putin und Donald Tusk, erstmals gemeinsam der Opfer des Massakers vor 70 Jahren, bei dem 20 000 Menschen umgebracht wurden, gedacht. Kaczynski wollte nun im westrussischen Katyn mit den Familien der Opfer und Vertretern des Militärs an die Toten erinnern. Katyn war für Kaczynski wie für viele seiner Landsleute ein Symbol für die schwierige Nachbarschaft mit Russland. Das Misstrauen gegen Deutschland und Russland prägte das Weltbild des Sohns ehemaliger Widerstandskämpfer gegen die Deutschen im Warschauer Aufstand, war eine der Antriebsfedern für sein Streben nach einem starken Polen.
In der Seele der Nation klafft das Massaker von Katyn seit Jahrzehnten wie eine offene Wunde. Für Polen kann die Tragödie des Todes von Präsident Lech Kaczynski deshalb schmerzlicher kaum sein. Richtig fassen kann noch niemand die schrecklichen Bilder aus dem nebelverhangenen Wald in Smolensk, wie Dutzende verkohlter Trümmerteile der in den polnischen Nationalfarben gestrichenen Maschine zwischen abgeknickten Bäumen liegen. Die Polen trauern nicht nur um Kaczynski und seine Frau, sondern auch um etliche Abgeordnete und Funktionäre sowie nahezu die gesamte Armee-Führung, sprich um einen Großteil ihrer Führungselite.
"Vor 70 Jahren haben die Sowjets in Katyn die polnische Elite ermordet", sagt der frühere polnische Präsident und ehemalige Solidarnosc-Anführer Lech Walesa. "Heute ist erneut die polnische Elite ums Leben gekommen, auf dem Weg dorthin, wo sie der getöteten Polen gedenken wollte."
Regierungschef Donald Tusk selbst brach zur Unglücksstelle nach Westrussland auf. "Die moderne Welt hat noch nie eine solche Tragödie erlebt", erklärte er. In Smolensk legte er mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin Blumen nieder. Im Angesicht der Trauer scheinen die beiden Länder mit ihren schwierigen historischen Beziehungen nun enger zusammenzurücken.