Khartum. Überschattet von Betrugsvorwürfen haben im Sudan, dem größten Land Afrikas, gestern die ersten allgemeinen Wahlen seit 24 Jahren begonnen. In dem auf drei Tage angesetzten Votum sind 16 Millionen Sudanesen aufgerufen, über Präsident, Parlament und Gouverneure abzustimmen. Nachdem die wichtigsten Oppositionsführer ihre Kandidatur zurückgezogen hatten, galt ein Sieg von Staatschef Omar al-Baschir als sicher.
Der 66-jährige Baschir gab seine Stimme in einer Schule im Zentrum der Hauptstadt ab. Gegen den autoritär regierenden Präsidenten liegt beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag ein Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der westsudanesischen Bürgerkriegsregion Darfur vor. Baschir, der sich 1989 an die Macht geputscht hatte, ging 1996 und 2000 als Sieger aus Präsidentschaftswahlen hervor; diese Abstimmungen wurden im In- und Ausland jedoch als Farce gewertet. Auch in diesem Jahr erhoben die Oppositionsparteien Betrugsvorwürfe.
Ex-US-Präsident Jimmy Carter, der mit seiner Carter-Stiftung die Wahlen überwacht, erklärte in der Hauptstadt Khartum, die nationale Wahlkommission habe gute Arbeit geleistet, obwohl in manchen Gegenden des Landes die Wahlunterlagen zu spät angekommen seien. Neben der Carter-Stiftung haben auch die EU, die Arabische Liga, China und Japan Wahlbeobachter entsandt.
Der südsudanesische Führer Salva Kiir von der früheren Rebellenbewegung Sudanesische Volksbefreiungsarmee (SPLA) wählte in der Gebietshauptstadt Juba. Im halb autonomen Süden des Landes sollen die Bewohner über ihren Regierungschef abstimmen. Kiir tritt gegen den früheren Außenminister Lam Akol an. Nach 21 Jahren Bürgerkrieg mit 1,5 Millionen Toten im Südsudan, einem Gebiet so groß wie Frankreich, hatten die SPLA und die Regierung in Khartum im Januar 2005 einen Friedensvertrag unterzeichnet. Im Januar 2011 soll ein Volksentscheid über die Unabhängigkeit des Südsudan stattfinden. Zahlreiche Hilfsorganisationen warnten zuletzt vor einem neuen Krieg zwischen dem christlich und animistisch geprägten Süden und dem muslimischen Norden.
Die Landesteile streiten vor allem über die Aufteilung der Einnahmen aus den Ölvorkommen des Südens. Statt gleichberechtigt zu teilen, behielt der Norden in der Vergangenheit 75 bis 85 Prozent für sich.