Ungeachtet eines libyschen Einreiseverbots für Bürger aus dem Schengen-Raum lässt das nordafrikanische Land Europäer weiterhin ins Land. Die EU hofft unterdessen auf eine schnelle Einigung mit Tripolis in dem Visa- Streit.
Brüssel/Frankfurt/Rom. Es gebe „auf allen Ebenen“ diplomatische Kontakte, sagte ein EU-Kommissionssprecher am Dienstag in Brüssel.
Am Vortag hatte die EU-Kommission in Brüssel berichtet, Bürger des grenzkontrollfreien Schengen-Raums, zu dem die meisten EU-Länder sowie die Schweiz, Island und Norwegen gehören, könnten derzeit nicht mehr nach Libyen einreisen. Diese Entscheidung gilt als jüngste Reaktion Libyens im Streit mit der Schweiz über die Behandlung von Angehörigen der Gaddafi-Familie.
Die Deutsche Lufthansa teilte jedoch am Dienstag mit, sie fliege weiterhin nach Tripolis. Bislang habe sie keine ungewöhnlichen Abweisungen von Bürgern aus den Schengen-Ländern festgestellt. Auf dem Lufthansa-Flug am Montag von Frankfurt nach Tripolis seien 58 Passagiere an Bord gewesen. Vier von ihnen wurde die Einreise aus nicht ersichtlichen Gründen verweigert. Die Abweisung einzelner Passagiere sei aber nicht ungewöhnlich. Die übrigen Passagiere, größtenteils aus EU-Ländern, hätten ungehindert einreisen können.
Auch das italienische Außenministerium erklärte, Libyen habe 13 Italiener einreisen lassen. Drei von ihnen seien am Flughafen von Tripolis nach der Ankunft am Montag zunächst festgehalten worden. Einem Italiener sei allerdings die Einreise verwehrt worden.
Hintergrund für die Verstimmung zwischen Libyen und der Schweiz ist die „Hannibal-Affäre“. Die Polizei in Genf hatte im Sommer 2008 Hannibal al-Gaddafi, einen Sohn von Staatschef Muammar al-Gaddafi, und dessen Frau wegen Misshandlung von Hausangestellten vorübergehend festgenommen. Das Paar wies die Vorwürfe zurück, die später fallengelassen wurden. Gaddafi senior war so erbost, dass er bei den Vereinten Nationen sogar die „Auflösung“ der Schweiz beantragte.
Mitte Oktober 2008 stoppte Libyen zudem seine Erdöllieferungen an die Schweiz und zog Gelder von Schweizer Banken ab – nach unbestätigten Berichten mehrere Milliarden Franken (Euro). Auch zwei Schweizer wurden in Libyen festgesetzt, gegen sie wurden Gerichtsverfahren eingeleitet: Einer wurde kürzlich freigesprochen, darf das Land aber noch nicht verlassen. Sein Landsmann erhielt wegen illegalen Aufenthalts in einem Berufungsverfahren vier Monate Haft.
Nach Brüsseler Angaben stellt Libyen Schengen-Bürgern derzeit keine Visa aus. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström hatte am Montag die Abweisung von Bürgern aus den Schengen-Ländern „einseitig und unverhältnismäßig“ genannt. Es werde über eine „angemessene Reaktion“ beraten. Eine libysche Zeitung hatte kürzlich berichtet, Tripolis erwäge Vergeltungsmaßnahmen, nachdem die Schweiz rund 180 Libyern die Einreise verwehrt habe.