Der Westen habe kaum Möglichkeiten, die iranische Bombe zu verhindern, warnen Rüstungsexperten. Sie diene den Mullahs zur Absicherung des Regimes.
Hamburg/München. Im Atomstreit mit dem Westen fährt der Iran weiter einen Konfrontationskurs. Einen Tag nach Abschluss der Sicherheitskonferenz in München, wo der iranische Außenminister Manuchehr Mottaki alle Chancen auf eine Annäherung vertan hatte, erklärte der Leiter der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salahi, sein Land werde binnen eines Jahres zehn neue Uran-Anreicherungsanlagen bauen.
Ab heute will der Iran sein Uran zudem selber auf zunächst 20 Prozent anreichern. Ab 85 Prozent ist Uran atomwaffenfähig. Zugleich erklärte der Chef der iranischen Luftwaffe, Asis Nasirsadeh, das Militär habe erfolgreich ein Tarnkappen-Flugzeug getestet. Ferner kündigte er ein selbst entwickeltes Luftverteidigungssystem an, das dem hochmodernen russischen S-300-System ebenbürtig sei. Moskau hatte ungeachtet westlicher Proteste dem Iran den Verkauf der S-300 zugesagt, aber bislang nicht geliefert.
Der Westen droht nun mit Sanktionen - und sogar, wie in München geschehen, mit Militärschlägen. Einer der Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz war der Politikwissenschaftler und Zeithistoriker Christian Hacke, bis 2008 Professor an der Universität Bonn. Hacke sieht kaum Möglichkeiten für den Westen, den Iran noch an der Entwicklung der Bombe zu hindern. "Wir stehen vor einem grundsätzlichen weltpolitischen Dilemma: Wir müssen uns klarmachen, dass die autoritären Mächte nicht mehr auf uns hören, wie wir uns das früher vorgestellt haben", sagte Hacke dem Abendblatt. "Das gilt für den Iran, aber auch - das haben wir in München gesehen - für China und Russland. Da ist im Zuge der neuen Schwäche der USA ein ungeheures Selbstbewusstsein entstanden. Und wir werden vorgeführt. Diese Mächte sitzen auf den Energiequellen; wir sind davon abhängig, sitzen am kürzeren Hebel und haben kaum Einwirkungsmöglichkeiten."
Hacke betont: "Jedes Land - auch der Iran - hat das Recht auf die Entwicklung ziviler Atomkraft. Und erst ganz zum Schluss - wie bei einem Tausendmeterlauf auf den letzten fünfzig Metern - wird offenbar, ob dies auch militärisch genutzt wird." Der Politikwissenschaftler, Autor eines Standardwerks über die amerikanische Außenpolitik, ist sich sicher: "Genau das werden die Iraner tun. Für sie dienen Nuklearwaffen erstens dem Prestige, zweitens der eigenen Sicherheit, als Abschreckung, und drittens, um Systemstabilität zu erzwingen. Sie wollen ihre undemokratische Struktur damit absichern." Drohen nun Wirtschaftssanktionen? "Ach das wird läppisch!", meint Christian Hacke. "Die Chinesen werden die Iraner hintenrum versorgen, die Russen werden sie hintenrum versorgen, und andere werden das auch tun. Wir sollten uns daran gewöhnen, dass dort ein Regime in Nuklearwaffenbesitz kommt. Wir verrennen uns mit Blick auf den Iran auf eine Zielsetzung, die irreal ist."
Militärschläge hält Hacke für wenig wahrscheinlich. Die Reaktion des einflussreichen US-Senators Joe Lieberman, der dem Iran in München mit militärischem Eingreifen drohte, sei "völlig überzogen und unangemessen". "Eine derartige Drohung ist das Dümmste, was man machen kann, denn das spielt nur den Hardlinern in Teheran in die Hände", sagte Hacke und erklärte, ein nuklear bewaffneter Iran sei weder für den Westen noch für Israel gefährlich. "Derartige Diskussionen hat man auch 1949 geführt und gefragt, was passiert, falls die Kommunisten in China die Atombombe bauen. 1947 war das schon so im Falle Russlands. Oder denken Sie an Pakistan und Indien. Und was ist passiert? Nichts."